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CD: Unraveled Homage to Maurice Ravel Kebyart LINN, CKD779

07.05.2025 | cd

Hommage an Ravel – Kebyart lässt den Meister neu erklingen

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Man stelle sich Maurice Ravel vor, wie er – mit neugieriger Verwunderung – seinen eigenen Kompositionen lauscht, übertragen auf die völlig ungewohnte Klangwelt eines Saxophonquartetts. Genau dieses Experiment wagt das Ensemble Kebyart mit seinem neuen Album Homage to Maurice Ravel, erschienen bei LINN. Anlass ist der 150. Geburtstag des Komponisten im Jahr 2025. Obwohl Ravel selbst nie für Saxophonquartett schrieb, erweist Kebyart ihm mit raffinierten Transkriptionen und inspirierenden Neukompositionen eine klangvolle Reverenz. Das Ergebnis ist eine Aufnahme, die nicht nur eine Hommage darstellt, sondern auch den Blick für neue klangliche Möglichkeiten schärft.

Das Programm des Albums ist ebenso durchdacht wie mutig. Im Mittelpunkt stehen Transkriptionen von „Le Tombeau de Couperin“ und der „Pavane pour une infante défunte“, zwei Schlüsselwerke Ravels, die auf sehr unterschiedliche Weise sein Gespür für Klarheit, Form und expressive Zurückhaltung offenbaren. Die Wahl dieser Stücke ist besonders reizvoll: Während „Le Tombeau de Couperin“ mit seiner neobarocken Tanzsuite-Struktur fast spielerisch in das Klangidiom der Saxophone überführt wird, entfaltet die Pavane in dieser Besetzung eine beinahe vokale Gesanglichkeit, die ihre bittersüße Eleganz noch unterstreicht. Hinzu kommt eine Suite in e-Moll von Jean-Philippe Rameau, die Ravels Bewunderung für die französische Barockmusik spiegelt und den Brückenschlag zwischen Ornamentik und impressionistischer Farbigkeit vollzieht.

Doch Kebyart belässt es nicht bei der Vergangenheit. Zwei Auftragswerke zeitgenössischer Komponisten erweitern das Programm: „Les perfectibilités“ von Mikel Urquiza und „Debout, Maurice!“ von Joan Pérez-Villegas setzen sich auf kreative Weise mit Ravels Musikphilosophie auseinander. Urquiza lotet mit subtilen rhythmischen Schichtungen und klanglichen Brechungen die radikale Einfachheit aus, die Ravel so meisterhaft beherrschte. Pérez-Villegas hingegen nimmt Ravels harmonische Raffinesse und orchestrale Klangmalerei als Ausgangspunkt für ein Stück, das sich zwischen Hommage und Dekonstruktion bewegt. Beides fügt sich nahtlos in das Konzept des Albums ein und beweist, dass Ravels Einfluss weit über seine eigene Zeit hinausreicht.

Die Leistung von Kebyart ist dabei schlichtweg faszinierend. Es gelingt dem Quartett, Ravels Musik in eine neue Klangwelt zu übertragen, ohne dabei ihren Kern zu verfälschen. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie die vier Musiker die orchestrale Struktur der Werke nachbilden: Mal klingen die Saxophone wie ein feinsinnig abgestimmter Streichersatz, dann wieder wie ein transparent gestaffelter Holzbläsersatz. Die polyphone Klarheit, die gerade in „Le Tombeau de Couperin“ eine so tragende Rolle spielt, bleibt trotz der völlig anderen Besetzung erhalten. Gleichzeitig eröffnet die Klangfarbe der Saxophone eine neue Emotionalität – in der Pavane etwa entsteht eine fast intim anmutende Wärme, die die elegische Grundstimmung verstärkt.

Hinzu kommt eine exzellente Klangqualität. LINN hat eine Aufnahme geschaffen, die mit Natürlichkeit und Balance besticht. Die Instrumente sind mit feinem Gespür für Räumlichkeit eingefangen, sodass sich ein homogener, aber dennoch detailreicher Gesamtklang ergibt. Das Resultat ist eine Mischung aus Wärme, Transparenz und Tiefe, die sowohl den impressionistischen Passagen als auch den barocken Linienführung voll gerecht wird.

Mit „Homage to Maurice Ravel“ gelingt Kebyart mehr als nur eine stilvolle Würdigung eines großen Komponisten. Das Quartett schafft eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, indem es Ravels Handschrift respektiert und gleichzeitig durch neue Perspektiven bereichert. Die Bearbeitungen sind klug konzipiert und enthüllen überraschende Facetten der bekannten Werke, während die zeitgenössischen Stücke eine spannende Reflexion über Ravels musikalisches Erbe

bieten. Es ist eine Reise durch Klangwelten, die Ravels Geist lebendig hält – und ihn vielleicht sogar mit neugieriger Freude hätte lauschen lassen.

Dirk Schauß, im März 2025

Unraveled

Homage to Maurice Ravel

Kebyart

LINN, CKD779

 

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