CD TRIO DICHTER „EINE EINLADUNG IM HAUSE SCHUMANN“; harmonia mundi
Serie Stradivari In Kooperation mit der Instrumentensammlung des Museums der Musik Paris
Die Stars des vorliegenden Albums sind ein Bösendorfer Flügel aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (um 1890) und das Cello von Pietro Guarneri aus Venedig (1734) mit umsponnenen Darmsaiten. Beide Instrumente stammen aus der umfangreichen Sammlung der Philharmonie de Paris angeschlossenen Musée de la musique. Die Idee, optimal restaurierte alte Instrumente im musealen Eigentum jungen Künstlern für spezifische Projekte zur Verfügung zu stellen und in dieser Logik sogar eine CD-Serie zu initiieren, zeugt von einer lebendigen und verantwortungsbewussten Pflege des historischen Erbes.
Der Geiger des Trios Dichter, Théotime Langlois de Swarte, der auf diesem Album eine Violine von Alessandro Gagliano spielt, hat in der Serie „Stradivari“ des Labels harmonia mundi schon eine Programm-CD mit dem Titel „Proust, le concert retrouvé“ mit dem Pianisten Tanguy de Williencourt (Erard-Piano 1891) auf den Markt gebracht.
Nun lädt er gemeinsam mit Hanna Salzenstein (Cello) und Fiona Mato (Klavier) zu einem akustischen Rundgang in die Salons der Familie Clara und Robert Schumann auf einer imaginären Reise von Leipzig nach Dresden oder Düsseldorf. Dorthin, „wo sich das Paar und seine Künstlerfreunde über die Musik austauschen, die sie bewegt und inspiriert – Musik der Vergangenheit und ihrer Generation.“
Gut durchdacht bis ins kleinste Detail der biographischen und künstlerischen Bezüge (Anmerkungen im Booklet von Hanna Salzenstein & Jean-Jacques Groleau), scheint das außer dem Zweiten Klaviertrio (R. Schumann) und Felix Mendelssohns „Andante & Allegro assai vivace“ Op. 92 äußerst kleinteilige Programm von J.S. Bachs Präludium Nr. 6 aus „Sechs kleine Präludien BWV 933-938“ und Domenico Scarlattis „Sonate K. deest“ bis zu Niels Wilhelm Gades „Elegie aus ‚Aquarelle‘ op. 19“ für Violine & Klavier und Johannes Brahms‘ Lied ‚Schwesterlein‘ aus „Deutsche Volkslieder“ doch ein wenig (zu) akademisch geraten. Ein musikalischer Bogen will sich dabei nicht wirklich erschließen.
Natürlich ranken sich die kleinen Preziosen um das berühmte romantische Künstlerehepaar und verschränken sich mit einigen ihrer bekannten Werke. Sie sind mit dem Andante molto der Romanze op. 22 Nr. 1 für Violine & Klavier und dem ‚Notturno‘ aus den “Soirées musicales“ op. 6 Nr. 2 für Klavier (Clara) bzw. dem Klaviertrio Nr. 2 in F-Dur, Op. 80, dem Lied „Widmung“ (aus dem Zyklus „Myrthen“ Op. 25, Nr. 1), „Von fremden Ländern und Menschen“ & „Der Dichter spricht“ aus den „Kinderszenen“ op. 15 Nr. 1 und Nr. 13 (arr. für Klaviertrio), Stücken im Volkston Nr. 1 & 2 für Cello & Klavier Op. 102 (herrlich cellosonor und beschwingt die Nr. 1 „Mit Humor“) und ‚Meine Rose‘ aus „Lieder op. 90 nach Nikolaus von Lenau“ (Robert) vertreten. Eine Rarität bildet Theodor Kirchners ‚Lied ohne Worte‘ aus den „Bunten Blättern“ Op. 83, Buch 1, Nr. 6 für Klaviertrio. Kirchner kam 1838 nach Leipzig und wurde von Mendelssohn und Robert Schumann gefördert. Der Vielschreiber (alleine für Klavier sind an die 1000 Werke überliefert) wurde nach dem Tod Robert Schumanns der Liebhaber von Clara.
Musiziert wird auf hohem bis höchstem Niveau. Besonders gefällt Fiona Mato am Bösendorfer, die als einzige in allen Nummern vertreten ist und den Löwenteil des Programms absolviert. Wie sie den historischen Wiener Flügel mit dem so besonders einschmeichelnden, träumerisch abendgoldenen Klang durch die romantisch bewegten Partituren navigiert, lässt die ganze Epoche der emotional so disparaten Romantik aufleben und ihr innerstes Wesen erstehen. Das empfindsame ‚Notturno‘ aus Clara Schumanns „Soirées musicales“ schwebt in nobel schwärmerischen Ton, die Musik berührt als intime zärtliche Liebeserklärung zutiefst. Aber auch ihre Bach- und Scarlatti-Soli sind stilistisch wie auch vom musikalischen Gehalt her top of the tops.
Den mit Abstand größten Brocken des Albums macht Robert Schumanns viersätziges Klaviertrio Op. 80 (1847) aus. Aufnahmetechnisch streicherbetont, begeistert vor allem der mit „Sehr lebhaft“ überschriebene erste Satz. Clara Schumann: „Es gehört zu den Stücken Roberts, die mich von Anfang bis zum Ende in tiefster Seele erwärmen und entzücken. Ich liebe es leidenschaftlich und möchte es immer und immer wieder spielen.“ Im Trio wird auf das Eichendorff-Lied ‚Dein Bildnis wunderselig, hab‘ ich im Herzensgrund‘ (op. 39, Nr. 2) Bezug genommen. Das Trio Dichter überrascht mit einer überaus liedhaften, lyrischen Interpretation, was im dritten Satz doch auf Kosten der Spannung. Im vierten Satz findet das Trio wieder zu der bewegten und leidenschaftlichen Agogik des ersten Satzes, lässt die Gefühle jauchzend Achterbahn fahren.
In den Liedern ist der Bariton Samuel Hasselhorn mit all seiner emphatischen Ausdruckskraft und vorbildlichen Wortdeutlichkeit zu hören. Jorge Gonzalez Buajasan überzeugt als sensitiver Klavierpartner von Fiona Mato im fantastisch virtuos servierten vierhändigen „Andante & Allegro assai vivace“ von Mendelssohn.
Fazit: Eine CD, die auch bei mehrmaligem Hören mit ihrer luxuriösen Klangpracht überwältigt und mit ihren gefühlsehrlichen Interpretationen zu Herzen geht. Fiona Mato am Bösendorfer Flügel ist eine veritable Entdeckung, von der man gerne eine Solo-CD haben möchte.
Dr. Ingobert Waltenberger