CD TRAVEL CONCERTOS – JOHANN PRAMSOHLER und sein ENSEMBLE DIDEROT; Audax Records
Barockkonzerte von J.S. Bach, Johann Jakob Kress, Johann Georg Pisendel, Johann David Heinichen und Carlo Paolo Durant
Wo Johannes Pramsohler drauf steht, ist musikalisches Glück drin. Der Südtiroler Barockgeiger, Dirigent und Plattenproduzent mit Pariser Wohnsitz ist am unvergleichlichsten dann, wenn er selber zur Fiedel greift. Für die neueste CD mit dem irgendwie rätselhaften Titel „Reisekonzerte“ hören wir so Bekanntes wie das Fünfte Brandenburgische in D-Dur von Bach oder das Konzert in D-Dur von Heinichen, aber eben auch vier Weltersteinspielungen, für die Pramsohler seine herausragendsten kammermusikalischen Wegbegleiter um sich versammelt hat. Ich möchte hier besonders den höllisch guten französischen Cembalisten Philippe Grisvard sowie den flinken Flötisten Alexis Kossenko hervorheben. Aber auch Simone Pirri und Roldán Bernabé (Violinen), Jadran Duncumb (Theorbe, Barocklaute) Jon Olaberria (Oboe), Francois Leyrit (Kontrabass), Alexandre Baldo (Bratsche) und Gulrim Choi (Cello) ziehen am selben Strang, um das festliche Wetterleuchten der Musik, all die bunten Ornamente und lebensfroh beschwingten Allegro-Sätze optimal ins Sonnenlicht unserer Aufmerksamkeit zu rücken.
Programmatisch ging es Pramsohler darum, Solokonzerte vor den Vorhang zu bitten, die vermutlich speziell für das Reisen hervorragender Geiger und andere Virtuosen geschrieben wurden. Oder aber als Hausmusik gedacht waren. Das hieß aber auch, dass die örtlichen „Accompagnisten“ nicht überfordert sein durften (am besten war es, sie waren imstande, ihre Stimmen ohne Proben vom Blatt zu spielen). Dafür konnte der jeweilige Solist umso akrobatischer glänzen.
So steht die Urfassung des Fünften Brandenburgischen Konzerts für solch einen umherziehenden Musiker. Bach selbst könnte die Noten mit thematischen Bezugnahmen zum französischen Organisten Louis Marchand und zu Antonio Vivaldi für sein Debütkonzert beim Dresden-Besuch 1717 gespielt haben. Oder er hat damit den Kuraufenthalt des Köthener Fürsten Leopold in Karlsbad versüßt, nicht zuletzt mit einer erweiterten Kadenz, die Grisvard rasant-brillant zum Besten gibt.
Eine überschaubare Besetzung erforderten die auf dem Album ersteingespielten Kammerkonzerte von Johann Georg Pisendel. Pramsohler schwärmt vom kleinen, aber feinen Oeuvre des Dresdner Konzertmeisters: „Kompositorische Sorgfalt, geigerische Intelligenz in den sich fortwährend ändernden Bariolage-Akkorden und ein ungeheurer melodischer Einfallsreichtum. …Es ist ein Personalstil erkennbar, vor allem in den zum Sterben schönen langsamen Sätzen.“
Einen Höhepunkt des Albums bildet das Allegro molto des D-Dur Konzerts von Johann David Heinichen. Hier treten die Soloinstrumente Violine, Oboe, Flöte, Cello und Theorbe in einen bunt gefiederten Wettstreit. Wie stolze Pfauen schlagen die Instrumente ihre beeindruckenden Balzräder um die Gunst des Publikums. Die Reise der Dresdner Virtuosen könnte diesmal nach Berlin und nach Wien gegangen sein. Da sollten im August 1718 u.a. der Lautenist Leopold Weiss, der erste Geiger Pisendel, der Cellist Agostino Rossi, der Oboist Johann Christian Rhein, der Flötist Pierre Gabreil Buffardin, der zweite Geiger Carl Joseph Rhein und der Bratschist Johann Georg Lehneiß auftreten, um ein Fest des Friedrich August für die Geburt eines männlichen Thronfolgers der schwangeren Kaiserin Elisabeth musikalisch aufzupeppen.
Bei Johann Jakob Kress“ drittem Violinkonzert fällt wiederum die um einen Halbton höhere Stimmung des Soloinstruments im Vergleich zum „Orchester“ auf. Der aus Bratislava stammende Paul Charl Durant wiederum hat sein „empfindsam galantes“ Konzert originellerweise für die Besetzung Laute, Cembalo und Cello geschrieben.
Ob auf Reisen, an Höfen oder wo auch immer hausmusikalisch erprobt, die hier eingespielten Konzerte atmen eine belebende Frische und unbändige Energie. Alle beteiligten Musiker sind mit hoher Spielfreude und blendender Virtuosität am Werk. Barocke Unterhaltungsmusik, die tägliche Sorgen und ewig schlechte Nachrichten in einem Streich hinwegspült. Gönnen Sie sich diese Auszeit in Schönheit und experimenteller Klangrede gleichermaßen.
Dr. Ingobert Waltenberger