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CD „TRANSFORMING VIOLA“ DIYANG MEI spielt Bach, Biber, Britten, Hindemith und Ligeti – GENUIN

Werke für Viola und Cello solo - CD-Debüts aufstrebender Solisten der ersten Liga  

11.09.2019 | cd

Werke für Viola und Cello solo – CD-Debüts aufstrebender Solisten der ersten Liga

 

CD „TRANSFORMING VIOLA“ DIYANG MEI spielt Bach, Biber, Britten, Hindemith und Ligeti – GENUIN

 

Ob diejenigen, die Bratsche mögen, sich auch an Whisky, Moscow Mule, Zartbitterschokolade oder Orangenmarmelade delektieren? Kann sein. Sicher ist, dass es nur wenige Komponisten gab, die für Bratsche solo geschrieben haben. Auf der vorliegenden CD finden wir daher drei Arrangements und nur zwei original für Viola geschriebene Solostücke – diese stammen von Hindemith und Ligeti.

 

Den 25-jährigen Diyang Mei, chinesischer Bratschenvirtuose, Preisträger des ARD Musikwettbewerbs 2018 in München, hat das Label Genuin noch mit einem Sonderpreis bedacht: Er durfte eine freie CD-Produktion seiner Wahl realisieren. In „Transforming Viola“ wählte Diyang Mei Chaconnes und Passacaglien aus dem 17., 18. und 20. Jahrhundert. Diese barocken Tänzen nachempfundenen Variationen klingen auf der Bratsche dunkler, geheimnisvoller, aber auch griffig kompakter als etwa auf der Violine, wie das bei Johann Sebastian Bachs Ciaconna in g-Moll aus der Partita Nr. 2 BWV 1004 (die eigentlich für Violine in d-Moll komponiert wurde) nachzuhören ist. Es ist irgendwie so, als würde Brünnhildes Schlussgesang aus der Götterdämmerung von einer Altistin gesungen werden. Bachs berühmter Schlusssatz aus der zweite Partita bildet in ihrem bohrenden Schmerz im Kern eine autobiographische Begebenheit ab. Bach erfuhr im Juli 1720 nach einer mehrmonatigen Abwesenheit von zu Hause bei seiner Rückkehr, dass seine Frau verstorben und bereits begraben war. Kurz darauf entstand das Stück. Monothematische Variationen, Einsprengsel von Chorälen um Tod und Auferstehung, kontrapunktische Verstrickungen und Entflechtungen, lassen diese Musik zum beklemmend monumentalen Gleichnis der Schicksalhaftigkeit unseres Lebens werden. 

 

Ähnlich intensiv und von einer zwingend herben Schönheit ist für mich auch die Passacaglia, Schlusssatz aus Paul Hindemiths viersätziger Viola-Sonate Op. 11, Nr. 5. Wie Hindemith hier das Bach‘sche Vorbild der Ciaconna durch den Klangfilter eines Brahms hindurch neu aber nicht weniger gigantisch durchleuchtet und ein Manifest persönlichen Künstlertums auf Basis seiner persönlichen Erfahrungen im ersten Weltkrieg errichtet, berührt und erstaunt zugleich. Da wirkt die von Benjamin  Britten für Mstislav Rostropovich geschriebene Ciaccona, Allegre aus der Cello-Suite Nr. 2 Op. 80 (arrangiert für Viola von Nobuko Imai) vergleichsweise verspielt in ihrer gestisch großen, weltumarmenden Attitüde. 

 

Heinrich Ignaz Biber ist mit einer Passacaglia aus den „Rosenkrantz-Sonaten“ vertreten. Im Autograph wurde ihr eine Federzeichnung vorangestellt, die ein Kind abbildet, das von einem Engel an die Hand genommen wird. „Wie dieser Schutzengel den Menschen auf all seinen Wegen geleitet, so geleitet der immer gleiche Bass die Violine durch alle harmonischen Höhen und Tiefen. Etwa 40 Jahre vor Bachs Ciaconna vollzieht sich hier das erste Mysterium solistischer Geigenkunst. Arrangiert für Viola bekommt diese Passacaglia ein wohltönendes warmes Timbre.“ weiß Anna-Barbara Schmidt im  Booklet zutreffend zu analysieren. Das schöne Album endet mit György Ligetis kurzer Chaconne chromatique aus der Viola-Sonate. Diyang Mei brilliert mit handfester Technik und breitem Ton. Seine Interpretationen haben nichts Vordergründiges, ihr herber Touch erdet den Hörer. 


 CD Musik für Cello Solo: MATTHEW ZALKIND spielt Bach, Kodály und Michael Brown 

 

Im Zentrum des Solo-Debütalbums des amerikanischen Cellisten Matthew Zalkind steht auch Johann Sebastian Bach. Die Suite Nr. 6 in D BWV 1012 gilt ja wie ihre fünf Geschwister als die Vollendung an Ausdruck und Auslotung aller technischen Möglichkeiten des königlichen Instruments. Matthew Zalkind ist ein nuancenreich erzählender Poet auf seinem modernen viersaitigen Cello und ein reflektierter Künstler zugleich. Er modelliert behutsam jede Phrase, trotz der unglaublichen Anforderungen (“die akkordische Schreibweise zwingt den Spieler, mit sehr hohen Handstellungen und Doppelgriffen zu agieren“) steht die Schönheit und Intensität des Tons im Zentrum dieser so kosmisch gedehnten, das Universum behutsam abbildenden Tanzmusik. 

 

200 Jahre hat es gebraucht, damit Bachs Suiten für Cello Solo wieder ein hübsches Schwesterchen bekommen. In Zoltán Kodálys Sonate für Solo Cello Op. 8, ein revolutionäres 35 Minuten langes dreisätziges Werk, voller meditativer  Ruhe, ungarischer Rhythmen und Harmonien, sind die beiden tieferen Saiten von G zu Fish and von C zu H herabgestimmt. Das bewirkt ganz andere Farbskalen, außerdem ist den “pyrotechnischen”  Vertracktheiten im Allegro molto vivace anzumerken, dass Kodály zuerst die Violine für sich entdeckt und gespielt hat. Ein überwiegend atmosphärisch düsteres, auch für den Hörer herausforderndes  Werk.

 

Der 1987 geborene New Yorker Komponist und Pianist Michael Brown hat in seiner ca. 10-minütigen Suite für Cello solo ein Prélude, eine improvisierte Sarabande und eine Gigue gebündelt. Wiewohl von barocken Formen beeinflusst, klingt seine Musik ganz amerikanisch im Fahrwasser eines Copland oder Barber. Diese karge, fast schon minimalistische späte Romantik bringt Matthew Zalkind mit nobler Geste und konzentrierter Verinnerlichung zum Blühen.  

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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