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CD THOMAS SELLE „JOHANNESPASSION mit Intermedien“ – Göttinger Barockchor und -orchester; Coviello Classics

14.03.2023 | cd

CD THOMAS SELLE „JOHANNESPASSION mit Intermedien“ – Göttinger Barockchor und -orchester; Coviello Classics

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Ostern naht und die Veröffentlichung der neuesten Aufnahmen von Passionskompositionen hat wieder Konjunktur. Dass es auf diesem Gebiet mehr gibt als die Wunderwerke von Johannes Sebastian Bach, das wissen wir. Aber die „Johannespassion“ des Thomas Selle aus dem Jahr 1643 dürfte dennoch vielen unbekannt sein.

Dichter, Sänger, Komponist, Lehrer, Schul- und Chorleiter, Autor des Lehrbuchs „Kurtze doch gründliche Anleitung zur Singekunst“ wurde der 42-jährige Selle 1641 Kantor am Johanneum und Musikdirektor der vier Hauptkirchen Hamburgs. Eine prestigeträchtige Stelle, die nach ihm u.a. Georg Philipp Telemann innehatte. Ab 1642 war er zudem als Canonicus Minor im Mariendom tätig.

Ob geistliche und weltliche Sololieder, Messen oder Musik zu festlichen Anlässen der Stadt, Selle war immer für originelle Tonschöpfungen gut. So ist seine Vertonung der „Johannespassion“ unter seinen dokumentierten 281 Werken ein hervorragender Beleg zauberischer mehrchöriger polyphoner Kunst und einer der unbestreitbaren Höhepunkte protestantischer Kirchenmusik in Hamburg.

Sängerisch durchaus anspruchsvoll, besteht die etwa 40 Minuten lange Passionsmusik aus drei Teilen und den drei Intermedien „Fürwahr, er trug unser Krankheit“, „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“ sowie „O Lamm Gottes unschuldig“.

Interpretiert wird die lautmalerisch und harmonisch so reizvolle, in einer trefflich die vokalen Rollen charakterisierenden Instrumentierung erdachte Musik ganz vorzüglich. Unter der lebendig animierenden musikalischen Leitung des Antonius Adamske begeistern vor allem die stilistisch tadellosen und klangschönen solistischen Leistungen von Kerstin Dietl (Ancilla), Johannes Euler (Pilatus), Luca Segger (Servus), Dantes Diwiak (Evangelist), Markus Brutscher (Petrus), und Janno Scheller (Jesus). Textverständlichkeit, Intonation, Reinheit des Klangs sowie Phrasierung sind vorbildlich. Das Göttinger Barockorchester steuert die luxuriöse Instrumentalbegleitung mit den so exotisch wie bunt schallenden Instrumenten Zink, Dulzian, Laute, Bandura, Regal oder Gambe bei. Den feierlichen Klangreichtum unterlegen Streicher (Violinen), Orgel, Cembalo und Posaune.

Gerahmt ist die Passion von den prächtigen Chören „Die Erd ist des Herren“ und „Lobet den Herren.“

Was für eine erfreuliche Entdeckung! Auch aufnahmetechnisch lässt die im März 2022 auf Schloss Ricklinge entstandene CD keine Wünsche offen.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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