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CD „THE PATH OF LIFE“ – ILKER ARCAYÜREK und SIMON LEPPER (Klavier) interpretieren Schubert Lieder; Prospero Classical

28.02.2021 | cd

CD „THE PATH OF LIFE“ – ILKER ARCAYÜREK und SIMON LEPPER (Klavier) interpretieren Schubert Lieder; Prospero Classical

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2017 ist die erste Schubert CD „Der Einsame“ des herausragenden Lied-Gespanns Ilker Arcayürek/Simon Lepper bei Champs Hill erschienen. Nun legen die beiden mit einem weiteren programmatisch überzeugenden Album nach. In 18 Liedern, eingeteilt in die Gruppen “Liebe, Sehnsucht, Suche nach inneren Frieden, Hoffnungslosigkeit und Erlösung“ ist so etwas wie eine ganz persönliche „Winterreise“ entstanden. Wie der junge sympathische Tenor selbst sagt, soll „The Path of Life“ kein Sängerporträt noch ein „Best of Schubert“ sein, sondern eine durchgängige Geschichte wie ein langes durchgehendes Lied erzählen. 

 

Ilker Arcayürek ist Liedsänger durch und durch. Mit kräftig granulierter Mittellage und herb-süßem Timbre gelingen ihm pittoreske Genreszenen. Der in Wien aufgewachsene Tenor hat bereits Stationen im Opernstudio an der Züricher Oper sowie in den Ensembles der Stadttheater Klagenfurt und Nürnberg absolviert. Viel Mozart und deutsches Repertoire finden sich in den Auftrittskalendern der vergangenen Jahre. Seine erste musikalischen Meriten konnte er sich bereits früh als Solist des Mozart Knabenchors in Wien erwerben. 

 

Bei seinen Schubert- Interpretationen gefallen einmal die grundlegende Direktheit und Ehrlichkeit im Vortrag. Da schöpft ein sensibler Künstler die ambivalente Schubert‘sche Gefühlswelt aus eigener Lebenserfahrung nach. Vom unbeschwerten, unbedarften Liebeserwachen erzählen „Die Fischerweise“ und der „Liebhaber in allen Gestalten“. „An Silvia“ und „Alinde“ gehören zu den bekannteren Einstiegs-Liedern. Mit der euphorischen Goethe-Vertonung „Willkommen und Abschied“ leitet Arcayürek zu schon verdeckteren Gefühlen der Sehnsucht über, die er mit den Liedern „Dass sie hier gewesen“, „Du bist die Ruh“, „Auf dem Wasser zu singen“ herzzerreißend zum Ausdruck bringt. „Auf der Bruck“ legt den Zwiespalt zwischen eigenem unbändigem Verlangen und nicht erwiderter Liebe schließlich komplett schonungslos offen. Richard Strokes sieht dabei in Schuberts Klangsprache eine ‚hoffnungslose Reise, die sich im Kreise zu drehen scheint und nirgendwohin führt, um schließlich in den Schlusstakten zu verpuffen.’ 

 

Manchmal beschleicht mich das Gefühl, Schubert war manisch depressiv veranlagt und hat jede kleine Regung äußerer Umstände besonders in Bezug auf das (sicher unbefriedigende) Liebesleben masslos – sei es ins Positive oder Negative – überbewertet und schwärmerische verklärt. Mit poetisch alle Gefühle sublimierenden Naturbildern konnte er diese Gefühlsknäuel irgendwie im Zaum halten, wobei auffällt, dass die Musik sich die Lyrik anverwandelt, wie es ihr gerade passt. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt trennt da nur ein Hauch. Das zeigt sich in den Liedern der inneren Zwiesprache wie “Die Sterne”, “Bei Dir allein” (fordert der leidenschaftlichen Klangsprache wegen einen enormen Stimmumfang vom eingestrichenen C bis zum hohen A) oder “Lachen und Weinen”.  Im “Wanderer“ bringt Schubert dieses Lebensgefühl auch tonlich mit dem Vers ‚Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück!’ auf den einsam eisigen Punkt.

 

Ilker Arcayürek zeichnet die zunehmend trübe und den Tod herbeisehnende Seelenverfassung des Helden in “Der Unglückliche”, “Die Götter Griechenlands”, “Du liebst mich nicht” und besonders im Lied “An die Freunde” (‚Im Wald, im Wald da grabt mich ein, ganz stille, ohne Kreuz und Stein‘) mit einer Vielzahl an fahleren Stimmfarben eindrücklich und berührend nach. Auch hier findet Schubert genügend Kraft, noch einmal launisch von Moll zu Dur zu springen. Das allzu Forsche und Expressive im Vortrag meidet der klug den spezifischen Gesetzen lyrischer Gestaltung folgende Sänger. Mit dem eine Romanze wie von Wolken herab Revue passieren lassenden “Des Fischer Liebesglück” endet ein bereicherndes Lied-Album. 

 

Simon Lepper ist ein Glücksfall als kongenial feinfühliger, dennoch kräftig zupackender Begleiter. Die Berg- und Talfahrt der Gefühle ist genau so im Klavierpart zu finden wie in den dynamisch von Arcayürek so fein ziselierten und die Worte interpretatorisch ausdifferenzierten Gesangslinien. Den heiklen Spagat, die ihrem Wesen nach hoch artifiziellen Kunstlieder wie einfache Volkslieder klingen zu lassen, spannt Arcayürek mühelos. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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