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CD „THE COSMOS of PAUL BEN-HAIM“: Orchester und Kammermusik, Lieder, mehrere Weltersteinspielungen; cpo

23.01.2025 | cd

CD „THE COSMOS of PAUL BEN-HAIM“: Orchester und Kammermusik, Lieder, mehrere Weltersteinspielungen; cpo

haim

LIV MIGDAL mit einer berührenden Hommage an den deutsch-israelischen Komponisten

Dieses Doppelalbum ist eine große Liebeserklärung an die Musik eines begnadeten Spätromantikers und Melodikers, dessen stete Laufbahn durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 einen jähen Bruch erfuhr.

Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Als Paul Frankenburger 1897 in München geboren, machte der junge Geiger und Komponist an der Münchner Akademie für Tonkunst rasante Fortschritte, bevor er 1916 zum Wehrdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen wurde. Sein Bruder blieb auf dem Schlachtfeld zurück, Paul konnte nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Studien 1920 eine Assistentenstelle bei Bruno Walter sowie als Korrepetitor und Chorleiter an der Bayerischen Staatsoper antreten. Dann ging es ans Augsburger Stadttheater, wo Frankenburger 1929 zum ersten Kapellmeister befördert wurde.

1931 wurde er aus rassistischen Gründen entlassen, 1933 emigrierte Frankenburger nach Tel Aviv. Dort änderte er seinen Namen in Paul Ben-Haim (= „Sohn des Heinrich“). Dies bedeutete eine gewaltige kulturelle und sprachliche Zäsur im Leben dieses Musikers, der schon früh begonnen hatte, Lieder auf Texte deutscher Dichter zu schreiben. Kompositorisch ging vorerst gar nichts mehr, er lernte Hebräisch und fasste peu á peu musikalisch Fuß in seiner neuen Heimat.

Sein musikalischer Stil wechselte von der chromatisch-harmonischen Spätromantik hin zu einer reduzierteren Klangsprache, die vor allem Einflüsse der französischen Impressionisten und der sephardisch spanischen Musik zu einem neuen „israelischen Nationalstil“ assimilieren wollte. Eine künstlerisch inspirierende Begegnung für Ben-Haim war diejenige mit der Folklore Sängerin Bracha Zefira, der er vielfältige Anregungen verdankte und deren Namen auch mit dem dritten Lied ‚Sephardic Melody‘ des Zyklus „Three Songs without Words“ eng verbunden ist.

Ben-Haim hatte nämlich für diese Sängerin ein Arrangement des Liedes „En la mar hay una torre“ geschrieben, zwei weitere Stücke hinzugefügt und sie zu „Liedern ohne Worte“ zusammengefasst. Von den vielen Bearbeitungen für die unterschiedlichsten Instrumente sind auf dem Album vier Versionen zu hören: Für Violine und 12 Streicher, für Fagott und zwölf Streicher, für Cello und Klavier sowie für Klarinette und Klavier.

Auf dem programmatisch von der rührigen wie musikalisch innigst aufspielenden Geigerin Liv Migdal zusammengestellten Album ist ein repräsentativer Querschnitt von Ben-Haims Schaffen von zu hören. Das startet mit dem 1942 entstandenen Poem für Violine und Orchester „Yizkor“ und endet mit drei Etüden für Violine solo des 84-jährigen, aufgrund eines tragischen Unfalls anlässlich eines Festkonzerts zu seinem 75- Geburtstag in München (er wurde von einem Auto angefahren) an den Rollstuhl gefesselten Komponisten.

Dazwischen sind neben den bereits erwähnten vier Versionen der „Drei Lieder ohne Worte“ vor allem die drei Lieder „Kochav nofal“ (Ein Stern fiel), „Fünf Melodien aus dem Osten“ und „Bat Yonim“, alle für Mezzosopran und Klavier, von der in satten Kontraalttönen orgelnden Hagar Sharvit und Daniel Gerzenberg am Flügel eindringlich interpretiert.

Dafür, dass die rein orchestral so klangbildwuchernden, wie stilistisch von R. Wagner, R. Strauss bis Ravel, Debussy, Hindemith und orientalischen Klängen angehauchten und dennoch so originären Werke „Yizkor“ (mit der Originalkadenz des Komponisten), „Dance and Invocation“, „To the chief Musician“ und „Interpretation of Bach’s Choral Prélude“ einen adäquaten Eindruck hinterlassen, sorgen die jegliche romantisch-expressiven Universen brennend ausschöpfende Staatskapelle Weimar unter der ordnenden Stabführung von Jesko Sirvend.

Im Mittelpunkt des Albums steht jedoch eindeutig die Geigerin Liv Migdal, die mit dem Doppelbaum den weiten musikalischen Kosmos Ben-Haims als auch „sein einzigartiges Verweben und Melodie und Rhythmus“ in seinen Orchesterstücken erfahrbar machen wollte. Das ist ihr eindrücklich gelungen. Was die rein kammermusikalischen Kostproben wie „Arabisches Lied“, „Sephardisches Wiegenlied“, „Zwei leichte Stücke“ für Violine und Klavier als auch die in den Liedern ohne Worte zu Ton kommenden Instrumente Fagott, Cello und Klarinette anlangt, so hat sich Liv Migdal Ofer Canetti (Cello), Sebastian Manz (Klarinette), Theo Plath (Fagott) und den hinreißend musikantischen Pianisten Daniel Gerzenberg ins Boot geholt.

Link „The Cosmos of Paul Ben-Haim“ TRAILER, Liv Migdal, violin

https://www.youtube.com/watch?v=qnBCbUUfXG8

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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