CD STRAUSS/REGER Lieder mit und ohne Worte – SHEVA TEHOVAL, GEORG MICHAEL GRAU Klavier; TYXart
Sheva Tehoval als triumphale, silbern glänzende Strauss-Sängerin
„Das moderne Lied: der Vers gebiert erst die Gesangslinie – nicht wie sehr oft sogar bei Schubert, dass die Melodie über den Vers gegossen wird, ohne dem Tonfall des Gedichts ganz gerecht zu werden!“ Richard Strauss
Wer kennt sie nicht, diese schwelgerisch sehnsuchtsvollen Lieder wie „Morgen!“, „Allerseelen“, „Cäcilie“ oder „Heimliche Aufforderung“ mit Klavier oder in Orchesterfassung, gesungen von einer der in diesem Fach kultisch verehrten Sopranistinnen, wie der Schwarzkopf, der della Casa, der Janowitz, Reneé Fleming oder Jessye Norman gesungen. Aber auch Tenöre wie Fritz Wunderlich oder der junge Jonas Kaufmann haben zeitlos gültige Tondokumente von Liedern des spätromantischen Hexenmeisters Richard Strauss eingespielt.
Für alle, die in Sachen Strauss-Lieder schon alles Wesentliche zu haben glauben, könnte diese CD neue Facetten aufzeigen. Der dt. Pianist und Raritätenspezialist Georg Michael Grau, Stipendiat der Landesstiftung Villa Musica Rheinland-Pfalz und aktuell Musiklehrer an der Musikschule St. Gallen, stellt zwölf Lieder in reinen Klavierfassungen von Max Reger vor. Reger erhielt die Anregung zu seinen Arrangements vom Münchner Verleger Eugen Spitzweg, Chef des Musikverlags Josef Aibl. Im Übrigen zählen auch Walter Gieseking oder Belà Bartók zu den Komponisten, die Klavierfassungen der schönsten Strauss-Lieder angefertigt haben. Allzu anspruchsvoll dürfte die Aufgabe nicht gewesen sein, weil die akribisch ausgefeilten Klavierbegleitungen des Richard Strauss „nur noch“ um die Singstimme erweitert werden mussten.
Grau gelingt es zwar, aufbauend auf die von Reger handwerklich gut, aber keineswegs aufregend gearbeiteten Vorlagen die Schlichtheit der melodischen Bögen mit dem oft pianistisch anspruchsvolleren Unterbau zu einer Einheit zu verbinden und daraus eigenständige Miniaturen zu kreieren. Was das wünschenswerte Raffinement im Anschlag, das Formen von Spannungsbögen und die Risikofreude anlangt, besteht durchaus noch Luft nach oben.
Dem gegenüber stellt die lyrische Sopranistin Sheva Tehoval mit ihrem exquisit silbern-seidigen Timbre zwölf Lieder in der Originalfassung für hohe Singstimme und Klavier vor. Wir hören einige bekannte Lieder, die Strauss gerne mit seiner Frau Pauline in gemeinsamen Liederabenden musizierte, aber auch selten zu hörende Vokalpreziosen: „Die erwachte Rose“, „Hat gesagt – bleibt’s nicht dabei“, „Die Nacht“, „Die Georgine“, „Die Verschwiegenen“, „Glückes genug“, „Meinem Kinde“, „Schlagende Herzen“, „Schlechtes Wetter“, „Du meines Herzens Krönelein“, „Ach Lieb, ich muss nun scheiden“ und „Ich schwebe“. Sozusagen als Zugabe singt Tehoval noch das Lied „Waldeinsamkeit“ von Max Reger.
Mich überzeugt dieser zweite Teil des Albums künstlerisch wesentlich mehr, zumal hier mit der umwerfend guten Liedsängerin Sheva Tehoval eine veritable Entdeckung zu machen ist. Ob das mädchenhafte Staunen über die erwachte Knospe, das koloratursüße, keck-zerbinettagleiche „Hat gesagt“ aus des ,Knaben Wunderhorn“, der romantisch schwärmerische Ton in „Die Nacht“, der natürliche Erzählfluss und der ekstatische Einzug der Liebe in „Die Georgine“, für all das findet Tehoval den passgenauen Ton, mischt sie die frischen Farben aus der Frühlingspalette ihres anmutigen Soprans zu idealen kleinen Dramoletten. Das sonnenlichte Aufblühen des Soprans in den oberen Registern, der wie einst bei Sena Jurinac ganz aus der Seele kommende Ton, als auch die vorbildliche Diktion (jedes Wort ist klar verständlich) machen aus Tehoval eine ideale Strauss-Interpretin. Das Wiegenlied „Meinem Kinde“, aber auch das Parlando und die Legato-Phrasen in „Schlagende Herzen“ waren noch kaum je so hinreißend als von Sheva Tehoval gehört.
Georg Michael Grau zeigt sich hier mit poetischer Einfühlung als exzellenter Begleiter.
https://www.youtube.com/watch?v=4aWRygTxJ1g : Kostprobe von Sheva Tehoval als Opernsängerin in der Arie „Nun eilt herbei“ Die lustigen Weiber von Windsor von Otto Nicolai.
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Dr. Ingobert Waltenberger