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CD SOPHIE JUNKER – La SERENISSIMA/Venetian Silhouettes; aparte

14.03.2025 | cd

CD SOPHIE JUNKER – La SERENISSIMA/Venetian Silhouettes; aparte

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Vor 25 Jahren hat Cecilia Bartoli mit ihrem „Vivaldi-Album“ Pionier-Maßstäbe an Koloraturakrobatik, grosso modo ein vokales Feuerwerk ohnegleichen in die ganze musikalische Welt entsandt. Vivaldi steht wie kein anderer Komponist für die atemberaubende Schönheit venezianischer Sonaten, Concerti und Arien. Seither hat sich unendlich viel in der Erarbeitung, Aufführung und erfolgreichen Aufnahmeprojekten von Vivaldi-Opern getan. Dank der Vivaldi-Edition, betreut vom italienischen Musikwissenschaftler Alberto Basso und dem französischen Independent-Label Naïve ist eines der ambitioniertesten Aufnahmeprojekte unserer Zeit genau diesem rothaarigen Wunderwuzzi gewidmet. So soll die Sammlung von rund 450 Vivaldi-Autographen eingespielt werden, die heute in der Biblioteca Nazionale in Turin verwahrt wird.

Dass es aber nicht nur Vivaldi & Co waren, die die italienische Musik des 18. Jahrhunderts prägten, diese Einsicht ist zahlreichen Initiativen zu verdanken, die die neapolitanischen und römischen Opern in den Fokus von Publikationen und aufregenden Opernproduktionen rücken, und wird nach und nach zum Allgemeingut musikalischen Wissens. Beispielhaft seien die Ausgrabungen und Neuinszenierungen des von Max Emanuel Cencic künstlerisch geleiteten Bayreuth Baroque Opera Festivals erwähnt.

Sophie Junker, französisch-belgische, am Institut supérieur de Musique et de Pédagogie in Namur und an der Guildhall School of Music and Drama in London ausgebildete Sopranistin, ist seit 15 Jahren nicht mehr aus der „Alte Musik Szene“ Europas und der USA wegzudenken. Für ihr nach der La Serenissima Repubblica di San Marco (der allerdurchlauchtesten Republik des Heiligen Markus) benanntes Album hat sie sich, von Pedro Octavio Diaz bestens beraten, acht Arien von Antonio Lotti, Antonio Caldara, Benedetto Marcello, Francesco Gasparini, Tomaso Albinoni und Giovanni Porta ausgesucht. Vier virtuose Gesangsnummern von Antonio Vivaldi, dem „modernsten“ unter allen, finden in dem in den Ecksätzen fetzig sprühenden Violinkonzert in a-Moll Op. 4, Nr. 4 aus dem Konzertzyklus „La Stravaganza“ (1712/13) eine seitenspiegelnde Ergänzung.

Zumal das von Liebhabern barock musikalischer Lustbarkeiten längst geschätzte {oh!} Orkiestra unter der musikalischen Leitung der quirligen Martyna Pastuszka (spielt zudem ganz fantastisch die erste Violine) auf dem Album einen Reigen an mit Brio und famosen Licht-Schattenspielen durchwirkten Interpretationen vom Stapel lässt. Sie macht diese so herzerwärmende Musik weit atmen und angeregt pulsieren.

Venezianische Silhouetten à la Canaletto, Guardi oder Michele Marieschi wollen sich in diesen Klängen reflektieren. Kunstvoll bemalten, vergoldeten Karnevalsmasken gleich defilieren die einzelnen vokalen Stimmungsbilder in unterschiedlichsten Affektlagen an uns festlich gestimmt, prächtig brokatmustern ummantelt, vorbei.

Die charismatische Sophie Junker, die zur Zeit der Aufnahme mit ihrem zweiten Kind schwanger war, setzt ihren kristallklaren und schlanken Sopran über die stupende Technik und den punktgenau sitzenden Verzierungen hinaus ganz in den Dienst der Charakterisierung von detailverliebt elaborierten Porträts, die in ihrer Kreativität und künstlerischen Einzigartigkeit den Gemälden Veroneses, Tizians und Tintorettos in nichts nachstehen.

Großes Drama, Liebesirrungen und -wirrungen, Eifersucht und Abschied, nächtliches Treiben und trauerverlorene Seelen. Wir erahnen all diese Freud und das davon nicht zu trennende Leid. Die von den venezianischen Tonsetzern klanglich entfachten emotionalen Strudel und Wirbel haben von ihrer Allgemeingültigkeit bis heute nichts eingebüßt.   

Wie das zum guten Ton solcher Aufnahmen gehört, sind auch zwei Weltersteinspielungen dabei: Antonio Lottis ‚Con fiamme, e con straggi‘ aus dessen Oper „Giove in Argo“ und ‚Si, ti sente l’alma mia‘ aus „Ambleto“ von Francesco Gasparini.

Fazit: Stimmungskanonaden, unterhaltsam, spritzig, nachdenklich umflort.

Inhalt des Albums

  • Antonio Lotti: Con fiamme, e con straggi aus „Giove in Argo“
  • Antonio Caldara: Chi mai d’iniqua stella aus „Temistocle“; Per combatter con lo sdegno aus „Caio Marzio Coriolano“
  • Antonio Vivaldi: Violinkonzert a-moll op. 4 Nr. 4 RV 357; Qual demone, qual furia aus „Atenaide“, RV 702; Mio cor, s’io ti dredessi aus „La Silvia“, RV 734; L’ombre, l’aure, e ancora il rop aus „Ottone in Villa“, RV 729; Zeffiretti, che sussurrate RV 749
  • Benedetto Marcello: Come mai puoi vedermi piangere aus „Arianna“
  • Francesco Gasparini: Vendetta si, faro aus Bajazet; Si, ti sente l’alma mia aus „Ambleto“
  • Tomaso Albinoni: Si, rinforzi in te la spene aus „Andromeda liberata“
  • Giovanni Porta: Madre diletta, abbracciami aus „Ifigenia in Aulide“

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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