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CD „SON REGINA E SONO AMANTE“ – ROSA FEOLA singt Arien von NICCOLÒ PICCINNI; Pentatone

13.03.2025 | cd

CD „SON REGINA E SONO AMANTE“ – ROSA FEOLA singt Arien von NICCOLÒ PICCINNI; Pentatone

feol

Piccinni italiano e Piccinni francese

Königin und Liebende zugleich sein. Dieser metaphorische Vers über die doppelten Gefühle, Befindlichkeiten und Pflichten eines jedes Menschen im Beruflichen wie Privaten – thematischer Kristallisationspunkt des Albums – stammt aus der Arie der Dido aus Piccinnis Oper „Didone abbandonata“. Dido will uns selbstbeschwörend weismachen, dass nur sie alleine über ihr Land und über ihr Herz bestimmt. Und dieser Aeneas braucht gar nicht zu glauben, dass er Didos Freiheit negierend über sie dominieren könne. Ach, wenn das nur so einfach wäre. Piccinni hat für seine tapfere, um Souveränität der Gefühle ringende Heldin auf jeden Fall jede Menge an gar nicht so eindeutigen Zwischentönen in die Chiaroscuro schillernden Harmonien und sich rasant aufschwingenden Verzierungen einfließen lassen.

Die italienische Sopranistin Rosa Feola, im kampanischen San Nicola la Strada in der Nähe Neapels geboren, widmet sich in ihrem neuen Album ausschließlich der Musik des in Bari geborenen, an der Reputation der neapolitanischen Opernschule wesentlich beteiligten Vito Niccolò Marcello Antonio Giacomo Piccinni. Mit seiner Oper „La Cecchina or La buona figliola“ gehörte er zu den meist aufgeführten Superstars der italienischen Oper des 18. Jahrhunderts. Seine Ausbildung erhielt Piccinni bei Leonardo Leo und Francesco Durante im neapolitanischen Conservatorio di Sant’Onofrio a Porta Capuana.  

Dieser Piccinni wusste jedenfalls Privates und Musik ganz großartig zu einem runden Ganzen zu schmieden. Während der junge Musikus auf Aufträge wartete, begann er zu unterrichten. Unter seinen Schülerinnen befand sich Vincenza Sibilla, die er als Vierzehnjährige heiratete. Nicht nur zwei Buben und fünf Töchter entsprossen der Ehe, sondern die Vorzeige-Beziehung reifte zudem zu einer einzigartigen künstlerischen Symbiose.

Jedenfalls gab Piccinni zu Protokoll, dass keine andere Sängerin seine Arien mit mehr Gefühl, Ausdruck, Perfektion und Kunstfertigkeit interpretiert hätte als Vincenza. Jedenfalls hielten sich ihre Sangeskünste, die sich exklusiv auf die Musik Piccinnis beschränkten, dank einer überragenden Technik unverbraucht über die Jahrzehnte hinweg. Auch als das Paar längst in Paris residierte, soll Piccinnis Biografen Pierre-Louis Ginguené, französischer Literaturhistoriker, Kritiker und Diplomat, zufolge, Madame Piccinni noch immer über einzigartige vokale Qualitäten verfügt haben.

Über großartige sängerische Atouts verfügt auch Rosa Feola. Mit ihrem auf Linie geführten, in luxuriöser Opaleszenz irisierenden, lyrischen Sopran, der über eine selten schöne Mittellage und völlig freie Höhen verfügt, weiß Feola nicht nur die langen Legatobögen im von Piccinni gepflegten, äußerst kantablen, auf jeden hysterischen Verzierungswahn verzichtenden Stil in der gebotenen Schlichtheit und Noblesse vorzutragen. Feola erweist sich so als ein echtes „Kind“ der berühmten neapolitanischen Gesangsschule.

Die vom Dirigenten und künstlerischen Leiter der Cappella Neapolitana, Antonio Florio, gewählten acht Arien bieten aussagekräftige Kostproben aus der neapolitanischen, römischen und Pariser Zeit. Alle drei von Piccinni zur Meisterschaft gebrachten Genres – „Komische Oper“ im neapolitanischen Dialekt, Opera seria und französische Tragédie lyrique – werden vorgestellt.  

Dass wir dem Librettisten Pietro Metastasio auch in dieser Sammlung nicht entgehen, ist klar. Außer der bereits erwähnten Arie der für das Teatro Argentina in Rom 1770 geschaffenen „Didone abbandonata“ interpretiert Feola die in ihren thematischen Kontrasten, in ihrer emotionalen Breite und unwiderstehliche Eleganz an Mozart erinnernde Da capo Arie des Ciro ‚Ognor tu fosti‘ aus der Oper „Ciro riconosciuto“.

Aus der in seinem Hochzeitsjahr 1756 entstandenen Seria „Zenobia“ ist die dreiteilige Sinfonia zu entdecken. „Artaserse“, ebenfalls für das Teatro di San Carlo verfasst, liefert eine der virtuoseren Nummern des Albums. Darin betrauert Artaserses‘ ohnedies gefühlsschwankende Schwester Mandane den angeblichen Tod ihres geliebten Arbace und wütet gegen die undankbare Semira, bevor sich alles zum lieto fine lichtet.

Unglaublich, aber wahr: Piccinni schrieb alleine für Neapel 72 Opern (davon 49 komische) und für Rom nochmals 40 Werke (26 komische Intermezzos inklusive). Für das Album hat sich Antonio Florio in Sachen neapolitanische Komödie entschieden, das rein instrumentale, jedoch die Stimme imitierende ‚Andante cantabile‘ aus „Il finto turco“ sowie die aus einer Privatsammlung stammende Arie der Lisetta ‚Majo p’e la capo‘ aus „Lo stravagante“ ins Programm zu nehmen.

Die römische Periode Piccinnis ist mit der Ouvertüre zum Intermezzo „Le donne vendicate“ (1763) sowie der anzüglichen Arie der Nannetta aus dem dramma giocoso „La capricciosa“ (Rom, Teatro delle Dame 1776) vertreten. In dieser Arie traut sich die freche Dienerin der in Liebesdingen wenig wählerischen Ernestina ihre Chefin zu fragen, ob sie ihr nicht einen ihrer Verehrer abtreten könne, dann blieben ihr noch immerhin drei.

1776 war auch das Jahr, in dem Piccinni nach Paris übersiedelte und später Direktor der Comédie Italienne wurde. Er eignete sich rasch die französische Sprache an. Wie gut er bald die Raffinessen des Französischen lautmalend in Klang transponieren konnte, ist anhand der Beispiele ‚O nuit! Déesse du mystère‘ aus „Le faux lord“, ‚Tremblez ingrats de me trahir‘ aus „Atys“ und ganz besonders im ‚Ah que je fut bien inspiré‘ aus „Didon“ (Fontainebleau 1783) gut nachzuvollziehen.

Piccinni war ein Meister der melodiösen Invention, der vokalen Feincharakterisierung und des lebensnahen tragikomischen Ineinanders diverser Gefühlslagen. Rosa Feola vermag alle Facetten der Figuren, ob verwegen lustig, ernst oder nachdenklich, verliebt oder sehnsuchtsvoll, innig oder zornbebend mit ihrem bruchlos geführten, leuchtenden Sopran in großartiger Wortdeutlichkeit zu verkörpern.

In aller Kürze: Ein aufschlussreiches und von allen Beteiligten traumhaft schön musiziertes Album über das vielgestalte vokale und instrumentale Schaffen von Niccolò Piccinni. Rosa Feola, die in Salzburg wegen ihrer Mitwirkung (Sopransolistin) an der im August 2021 von Riccardo Muti dirigierten Beethovenschen „Missa Solemnis“ gut in Erinnerung ist, sorgt mit diesem Album für eine bemerkenswerte sängerische Glanzleistung, vermag aber auch das Interesse an Piccinni neu zu entfachen. Empfehlung!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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