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CD „SIRÈNES“ – STÉPHANIE D’OUSTRAC singt Lieder von Liszt, Berlioz und Wagner

Freudvoll und leidvoll

05.04.2019 | cd

CD „SIRÈNES“ – STÉPHANIE D’OUSTRAC singt Lieder von Liszt, Berlioz und Wagner

Freudvoll und leidvoll

Sie ist Francis Poulencs Urgroßnichte, eine gefragte Muse Alter Musik und hat mit dem Pianisten Pascal Jourdan schon die Lied-CD „Invitation au Voyage“ (nicht mehr offiziell erhältlich) aufgenommen. Nun erscheint ihr Debütalbum „Sirènes“ bei harmonia mundi. Wir erinnern uns, Sirenen sind jene schrecklichen Geschöpfe in der griechischen Mythologie, die mit ihrem Gesang arme Matrosen anlocken, damit abgelenkt von ihrer Aufgabe ihr Schiff an Felsen zerschellen solle.

Was das präzise mit den sechs ausgewählten Liedern von Franz Liszt (mit Ausnahme der „Loreley“), Berlioz „Les Nuits d’été“ und Wagners „Wesendock-Liedern“ zu tun haben soll, darüber will ich mir erst gar nicht den Kopf zerbrechen. Die Überschrift ist ein PR-Ärgernis wie viele andere CD-Titel, die kein  Mensch braucht.

Stéphanie d’Oustrac ist eine integre Künstlerin mit einer hervorragenden Diktion, ihr Deutsch ist „impeccable“. Bei den teils sehr dramatischen Liedern von Franz Liszt – sie hat sich neben der „Loreley“ noch „Freudvoll und leidvoll“, „Es war ein König in Thule“, „Im Rhein, im schönen Strome“ und „Über allen Gipfeln ist Ruh“ gewählt –  treten jedoch stimmliche und stilistische Defizite zutage. Das mag wohl in diesem Fall mit dem für die Möglichkeiten der Künstlerin unpassenden Repertoire zu tun haben. Über der wohlklingenden sonoren Tiefe schließt sich generell eine reizvolle, sinnlich getönte Mittellage. Schon in der „Loreley“ beginnen Probleme in der hohen Lage, die sich in den Piani in einem ausgefaserten Vibrato manifestieren, im Forte in schrille Töne münden.  

Hat der geduldige Hörer die 20 Minuten Liszt überstanden, klingt die bekannte Französin bei den ‚Six mélodies pour voix et piano, Op. 7‘ von Hector Berlioz unter dem bekannten Titel „Les Nuits d’été“ zusammengefasst – wie ausgewechselt. Hier können stilistische Treffsicherheit, eine zurückhaltende Eleganz und klug disponierte Legatokultur die silbrige Leuchtkraft ihres Mezzos zur Geltung bringen. Das leicht verhangene rauchige Timbre harminiert sehr gut mit dem nobel jubelnden bis melancholischen dekadenten Grundton des Zyklus. Die intimere Klavierfassung kann zwar nicht mit dem orchestralen Farbteppich der Orchesterversion mithalten, offenbart uns aber einen fantastisch klangsensiblen Pianisten, Pascal Jordan. In romantischer Emphase  kann er bei den Solo-Passagen in Berlioz` Ballade „La Mort d’Ophélie“ glänzen.

Als Abschluss des Albums hat sich Stéphanie d’Oustrac Richard Wagners „Wesendonck-Lieder“ vorgenommen. In  langsamen Tempi zelebriert, überzeugen wiederum die wunderbare Tiefe und die untere Mittellage. Mit opernhafter Attitüde  lässt sie den Hörer an einem intensiv ausgekosteten  „Im Treibhaus“ teilhaben. Ganz grundsätzlich stellt sich aber wieder einmal die Frage, wie viel Vibrato Lieder generell und diese Wagner-Lieder speziell vertragen? Fazit: Ja zu Berlioz; Ja, mit einem kleinen aber zu Wagner, Nein zu Liszt.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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