Robert Schumann skizzierte seine Erste Symphonie in nur vier Tagen. Am 31. März 1841 wurde sie vom Leipziger Gewandhausorchester unter der Leitung von Felix Mendelssohn uraufgeführt. Adolf Böttgers Gedicht Frühlingsgedicht inspirierte den Titel „Frühlingssymphonie“.
In den Jahren 1844 und 1845 verschlechterte sich Schumanns Gesundheitszustand. Vor allem seine Psyche geriet dabei in tiefe Mitleidenschaft. Nach einer Besserung wurde seine Zweite Symphonie 1846 fertiggestellt und am 5. November vom Leipziger Gewandhausorchester unter der Leitung von Mendelssohn uraufgeführt.
Inspiriert von den Partituren Beethovens und Schuberts hatte Schumann bereits früher in den 1830er Jahren symphonisches Komponieren studiert.
Aber der Weg zu einer ausgefeilten Orchestrierung erwies sich als Herausforderung für den Komponisten, und bekanntlich ließ Mendelssohn die Gewandhaus-Blechbläser die anfängliche Eröffnungsfanfare der Ersten Symphonie um eine Terz nach oben transponieren, da Schumann zu diesem Zeitpunkt diese unglaublich tief geschrieben hatte.
Es war Gustav Mahler, der die ursprüngliche Fanfare in den frühen 1900er Jahren wieder aufnahm, als er die Orchestrierung aller vier Sinfonien im Lichte moderner instrumentaler Entwicklungen sanft überarbeitete. Sein Ziel war es u.a., Schumanns Symphonien für ein Orchester von etwa 45 bis 90 Spielern zu konzipieren.
Schumanns vier Symphonien sind seit jeher umstritten. Mahlers Revisionen erwiesen sich dabei als Muster geschmackvoller Modifikationen für große moderne Orchester. Der oft zu hörende Vorwurf, dass es nun Mahler Sinfonien seien, im Gewande Schumanns, ist völlig abwegig und falsch. Mahler versuchte nicht, Schumann neu zu erfinden oder sich über ihn zu stellen. Seine Veränderungen betonen deutlicher die Strukturen der Kompositionen. Die Veränderungen zeigen sich in der Artikulation, Dynamik und Orchestrierung. Mahler wählte hier einen subtilen Weg der Optimierung, behutsam seinen Vorstellungen angepasst.
Einmal mehr zeigt sich das Genie Mahlers, mit welchem Können und respektvoller Einfühlung er Schumanns Sinfonien zu größerer Wirkung führte. Hier fortwährend auf dem allein gültig erscheinenden Original zu beharren, ist ein engstirniger Dogmatismus.
Von daher ist es sehr begrüßen, dass das Label Naxos nun Schumanns Sinfonien in der Fassung von Gustav Mahler eingespielt hat. Chefdirigentin Marin Alsop dirigiert das ORF Radio-Symphonieorchester Wien, welches sie seit 2019 leitet.
Zu hören ist eine glanzvoll auftrumpfende und zupackende Interpretation der ersten beiden Sinfonien Schumanns. Alsop versteht es, den von Schumann favorisierten kräftigen Klang mitreißend zu entfalten. In den langsamen Sätzen, wie z.B. im Larghetto der ersten Sinfonie, schaut sie genau in den strukturellen Aufbau der Orchesterstimmen, setzt dabei spannungsgebende Akzente, ohne dabei die Kantabilität zu vernachlässigen
Alsop lässt den Zuhörer die kompositorische Weiterentwicklung gut nachvollziehen. Dies zeigt sich deutlich in der zweiten Sinfonie, in welchem das Scherzo hinreichend verrückt erklingt und dem Zuhörer bildhaft vor Augen führt, wie es Schumann seinerzeit ergangen sein muss. Mit Können und instinktsicherem Timing entwickelt Alsop die Spannungsbögen, was sich in den begeisternden Finali beider Sinfonien zeigt.
Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien überzeugt mit sehr engagiertem Spiel. Bei transparenter Klangvorstellung ertönen Schumanns Sinfonien strahlend hell und lebensbejahend. Exponierte Soli realisiert das Orchester stilsicher mit großer Souveränität. Die Tutti-Stellen erklingen spannungsvoll und kompakt in der Klanggestaltung.
Die Aufnahmetechnik fängt den Orchesterklang durchsichtig und mit natürlicher Dynamik ein. Der klang des Orchesters atmet und pulsiert. Eine Freude!
Um es nochmals zu betonen, zu erleben ist auf dieser CD die beglückende Musik Robert Schumanns, hier ins beste Licht gesetzt von Gustav Mahler.
Eine lohnende Hörerfahrung und erfreuliche Neuveröffentlichung. Empfehlenswert!
Dirk Schauß, im Oktober 2022