CD SABINE DEVIEILHE: Lieder von W.A. MOZART und RICHARD STRAUSS; Erato
Ein starkes Lebenszeichen für die Kunstform Lied
Anmutig, silbrig schimmernd, fruchtduftig, so könnte der lyrisch vibrierende Sopran der Sabine Devieilhe beschrieben werden. Die aufregendste französische Koloratursopranistin nach Nathalie Dessay, inzwischen von der Königin der Nacht zur Susanna gereift, ist Devieilhe nicht nur eine großartige Opernsängerin, sondern auch eine der poetisch beseeltesten Liedinterpretinnen, die ich kenne. Mit duftiger Leichtigkeit im stets von oben her angesetztem Ton, selbst in höchsten Höhen noch für elastisch schwingende Kantilenen gut, sind Textverständlichkeit und die von ihr kultivierte Wort-Ton Symbiose der in Musik gesetzten deutschen Sprache exemplarisch.
Auf endlosem Atem (sul fiato) fließen die von R. Strauss vertonten Verse des Richard Dehmel in der Liebesnaturbeschwörung von „Waldseligkeit“. Mit beschützender Zärtlichkeit erklingt „Du schläfst und sachte neig‘ ich mich über dein Bettchen und segne dich“ in Gustav Falkes „Meinem Kinde“. Der mädchenhafte Zauber von „Morgen!“, letztes Lied aus dem Op. 27 von R. Strauss bezirzt. Die Norwegerin Vilde Frang eint hier ihren edel vibrierenden Geigenton mit der aufgeweckten Klavierbegleitung von Mathieu Pordoy.
Erstaunlich, wie nach dem träumerischen „Morgen!“ Mozarts „An die Einsamkeit“ KV 391 (Johann Timotheus Hermes) offenbart, wie seelenverwandt Mozarts und Strauss‘ Gesangslinien für lyrische Sopranistinnen im Kern sind. Da habe zwei Kenner weiblicher Stimmen zu exquisiten Eingebungen gefunden. In „Oiseaux, si tous les ans“ KV 307, dem einzigen nichtdeutschsprachigen Lied des Albums und in dem exaltiert jubelnden Lied „Schlagende Herzen“ wirft Devieilhe all ihren Charme in die Waagschale, bevor die des Burschen ‚Kling, klang!‘ euphorisch in die Lüfte jauchzt. Unverkennbar im koloratur- und rouladengespickten Zerbinetta-Ton hat Strauss „Amor“ von Clemens Brentano vertont. Devieilhe stellt nicht nur in diesem Lied ihre ausgezeichnete Gesangstechnik voll in den Dienst von Ausdruck. Die finale Warnung ‚vor dem schlauen Kind‘, wer brächte sie verschmitzter dar?
Felix Dahns Blumenzyklus („Kornblumen“, „Mohnblumen, „Epheu“, „Wasserrose“) hat Richard Strauss trotz der schwülstigen Textvorlagen zu weit ausschwingenden Melodien angeregt. Als Pendant dazu hat Devieilhe Mozarts scheinbar simples, jegliche erotische Sehnsucht so traurig verinnerlichtes „Das Veilchen“ KV 476 gewählt. Der Text des Liedes stammt aus Goethes Singspiel „Erwin und Elmire“.
Ungeachtet, welches Lied Devieilhe zum Besten gibt, es ist die Mischung aus glockenrein bernsteinfarbenem Timbre, natürlichem Vortrag, untrüglichem Feeling für Lyrik, Agogik und stimmungsadäquater Wortausdeutung, die so intim zusammenwirken. Hören Sie selbst in „Winterweihe“ von R. Strauss nach einem Gedicht von Kurt Henckell, wie wundervoll Devieilhe schwebende Pianissimi in fein gesponnene Gesangslinien einzubinden vermag.
Das Album endet mit zwei Liedern von W.A. Mozart: „Das Traumbild“ KV 530, im November 1787 kurz nach der Vollendung von „Don Giovanni“ entstanden und „Abendempfindung“ KV 523, ein bewegender Gesang über Vergänglichkeit und Todesahnung.
Die künstlerische Partnerschaft von Sabine Devieilhe und dem Pianisten Mathieu Pordoy ist ein Glücksfall. Das Gefühl der gemeinsam ausgelebten Freiheit, was auratisches Raffinement, sinnfällige Temporückungen und Phrasierungen anlangt, überträgt sich auf den Hörer gleich einem unbeschwerten Frühlingstag.
Das Album erscheint rechtzeitig vor der Tour des Duos.
Nächste gemeinsame Liederabende (Auswahl):
- Am Do 11. April. 2024,19.30 Uhr, werden Sabine Devieilhe. Mathieu Pordoy in der Aula der Neuen Universität Heidelberg einen Liederabend unter dem Motto „Hommage à Vienne“ mit Liedern von Berg, Mozart, Wolf und R. Strauss geben. >Schon zuvor laden die beiden am 9. April zu einem ähnlichen LA im Kleinen Saal des Het Concertgebouw Amsterdam.
- Berliner Philharmonie, Kammermusiksaal, Mi 17. April 2024, 20:00 Uhr: Vokal- und Instrumentalwerke von Berg, Mozart, Wolf und R. Strauss
- Theater und Philharmonie Essen (TUP) 5. Mai 2024, 19:00 Uhr: Werke von Berg, Wolf, R. Strauss und Mozart.
Dr. Ingobert Waltenberger