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CD ROBERTO ALAGNA 60 – Arien von Verdi, Gounod, Adam, Flotow; Wagner, Moniuszko, Tchaikovsky, Rimsky-Korsakov, Thomas, Meyerbeer, Pergolesi, Drigo und Leoncavallo; aparte

22.09.2024 | cd

CD ROBERTO ALAGNA 60 – Arien von Verdi, Gounod, Adam, Flotow; Wagner, Moniuszko, Tchaikovsky, Rimsky-Korsakov, Thomas, Meyerbeer, Pergolesi, Drigo und Leoncavallo; aparte

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Der französische Sänger feierte am 7.6.2023 seinen 60. Geburtstag. Mit einem im Februar 2024 im Wiener Casino Baumgarten aufgenommenen Album, begleitet vom Morphing Chamber Orchestra unter der funkelnden musikalischen Leitung von Giorgio Crozi, begibt sich der Jubilar Alagna auf eine echt wagemutige („venturesome“ nennt es Bradley Bambarger im englisch-französischen Booklet) musikalische Reise von der Barockzeit bis ins heute.

Der Bub sizilianischer Eltern wuchs in einem Vorort von Paris auf. Musikalischer und beinahe auch stimmtechnischer Self-made man tingelt er zuerst als Chansonnier von sich selbst auf der Gitarre begleitet durch Pariser Nachtlokale. Der Sieg beim Pavarotti Gesangswettbewerb 1988 machte den gerade mal 24-Jährigen über Nacht in der Welt der Oper bekannt. Alagnas lyrisch glänzender Tenor mit einem ungewohnt viril herben, bronzefarbenen Timbre begeisterte allerorts. Sein Bühnencharisma gepaart mit einer athletischen Statur halfen, ihn als festen Anker und tenoralen Liebhaber auf allen Opernschlachtschiffen der Welt von New York bis nach Wien zu verankern. In einer seiner frühen Paraderollen als Nemorino in Donizettis „Liebestrank“ sang er nicht nur hinreißend, sondern konnte auch auf zwei Händen über die Bühne laufen. Den ersten internationalen Erfolgen im italienischen Fach folgten seine wohl besten Rollenporträts als Romeo, Des Grieux, Werther, Faust, Don José und nicht zu vergessen als Don Carlo in der französischen Fassung der Oper.

Alagnas Atouts waren und sind neben seiner Bühnenpräsenz und seinem Temperament das unverwechselbare Klangspektrum, eine wunderbar poetisch wie verinnerlichte Wort-Ton Behandlung sowie sein schillernder Charakter, der seinen Interpretationen etwas unverwechselbar Authentisches verleiht. Als die Stimme dramatischer und dunkler wurde, kamen Rollen wie Manrico, Canio und Radames hinzu. Ein typischer Ritter des hohen C (Stichwort Stretta in „Il Trovatore“) war er jedoch nie.

Heute ist er längst bei Wagner angelangt und hat dessen „Lohengrin“ in Berlin auch auf der Bühne verkörpert. Auch Opernraritäten wie „Fiesque“ von Édouard Lalo, „Le Jongleur de Notre-Dame“ von Jules Massenet oder „Cyrano de Bergerac“ von Franco Alfano verhalf Alagna zu neuer Aufmerksamkeit. Sein Bruder David Alagna schrieb ihm „Le Dernier Jour d’un Condamné“, basierend auf einem Libretto von David, Roberto und Frederico Alagna, in die Gurgel. Lange Zeit trat er oft gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau Angela Gheorghiu auf. Das von beiden erarbeitete diskografische Legat bei EMI ist nichts weniger als epochal.

Jetzt ist er 61 Jahre alt und will es noch einmal ganz genau wissen. Auf dem mit 85 Minuten Spielzeit überlangen Album hören wir Arien und Chansons in italienischer, spanischer, französischer, englischer, russischer, polnischer und deutscher Sprache. Manche Nummern fehlen in seiner bisherigen Diskografie, aber auch Raritätensammler werden bei Nummern wie ‚Les diamants chez nous sont innombrables‘ aus Rimsky Korsakovs Oper „Sadko“, der Arie „Nymphes attentives“ aus Gounods Oper „Polyeucte“ oder ‚Sziumia jodly na gór szczycie‘ aus Moniuszkos „Halka“ auf ihre Kosten kommen.

Am besten ist Alagna derzeit dort, wo er auf eine dramatische Mittellage setzend sein individuelles Timbre, sein erzählerisches Talent und sein emotionales Engagement voll zur Geltung bringen kann. Insoweit ist der Einstieg mit ‚O inferno! … Sento avvampar‘ des Gabriele aus Verdis „Simon Boccanegra“ gut gewählt.

Was ihn aber dazu getrieben hat, die Faust-Arie ‚Salut! Demeure chaste et pure‘ nochmals aufzunehmen oder gar das überaus lyrische, von der Tessitura unangenehm hoch liegende ‚Mes amis, écoutez l’histoire‘ des Chapelou aus Adolphe Adams „Le Postillon de Longjumeau“ bzw. den Hit ‚Ach! So fromm‘ des Lyonel aus Friedrich von Flotows „Martha“ zu versuchen, das weiß vermutlich nur er selbst. Er singt zwar auch das gefürchtete hohe D in ‚Mes amis‘, doch Freude und melomanische Glückseligkeit bereitet er damit (zumindest mir) nicht. Zu gestemmt, gepresst und forciert erklingen da die irgendwie erreichten Höhen. Nur, um das klarzustellen: ich mochte und mag den Sänger und seine Stimme sehr, doch auf das richtige Repertoire und Stimmfach sollte entsprechend dem Reifegrad einer Stimme schon geachtet werden.

Meine persönlichen Favoriten des Albums sind die beiden bestens gelungenen Ausschnitte aus Richard Wagners „Lohengrin“ (‚In fernem Land‘ und ‚Mein lieber Schwan‘) sowie die atmosphärisch dichte, so melancholisch dunkle Arie des Lenski ‚Kuda, kuda, kuda vi udalilis‘ aus Tchaikovskys „Eugen Onegin“. Aber auch die Ausschnitte aus Werken Moniuszkos, Rimsky-Korsakovs und Pergolesis (aus dessen „La frate innamorato“) machen Freude und belegen die stilistische Gewandtheit des Tenors.

An Liedern und Songs sind ‚Au clair de la lune‘ von Ruggero Leoncavallo, ‚La Spagnola‘ von Vincenzo di Chiara, ‚Ay, ay, ay‘ von Osman Perez Freire, ‚L’Andalouse‘ von David & Frederico Algana, ‚Be my love‘ (Hommage an Mario Lanza) von Nicholas Brodszky und last but not least ‚Sognare‘ von Roberto Alagna himself zu hören. Dieses Repertoire macht dem Künstler hörbar Freude und hier gewinnt Alagna wieder jene Leichtigkeit und Hitzköpfigkeit, die nötig ist, um das Publikum mitzureißen.

An neuen Projekten fehlt es dem Sänger nicht: Eine neue Produktion von Umberto Giordanos „Fedora“ in Genf (Dezember 2024), viele Konzerte u.a. mit seiner Frau Aleksandra Kurzak. Im Mai 2025 wird er an der Wiener Staatsoper als Cavaradossi in Toscazu hören sein und gleich darauf den Chevalier Des Grieux in „Manon“ von Jules Massenet an der L‘ Opéra national de Paris verkörpern.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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