CD ROBERT SCHUMANN CELLOKONZERT und diverse Bearbeitungen von Liedern für Cello und Orchester/ Cello und Klavier; Deutsche Grammophon
KIAN SOLTANI und die CAMERATA SALZBURG machen vor, wie es geht
Mit diesem eigentümlichen Cellokonzert in a-Moll, Op. 129 von Robert Schumann, seinem ersten großen Werk in der neuen, so tragisch endenden Düsseldorfer Anstellung als Städtischer Musikdirektor aus dem Jahr 1850, habe ich mich oft geplagt. Das in nur drei Wochen fertiggestellte, für seine Zeit fortschrittliche Stück fließt in einem weitschweifig mäandernden Erzählfluss dahin, ohne konkrete Satzgrenzen und ohne diesem aus Rede und Widerrede erwachsenden Spannungselement, das als klassisch konzertierender Kontrast den dialektischen Dialog von Soloinstrument und Orchester würzt. Der Solist scheint in romantischen Träumen vor sich hin zu fantasieren, wobei eine motivische Verzahnung vom einleitenden Bläserakkord ausgehend die Struktur bestimmt.
Wichtig ist, dass der Solist den Ton angibt, in natürlicher klanglicher Dominanz gleich mitbestimmt, wann das Orchester mal aufdrehen darf. Soltanis „Vorgänger“ bei der Deutschen Grammophon, Mischa Maisky, hat dieses Cellokonzert mit dem Orpheus Chamber Orchestra 1997 in New York aufgenommen (erschienen 2000). Weitaus weniger kontrastreich und vom Cellospieler her zwar unstreitig elegant, aber gleichförmiger, hat mich die Aufnahme nicht mitgenommen. Nicht besser erging es mir mit der Kombination Jean-Guihen Queyras und Freiburger Barockorchester/Pablo Heras-Casado (2014). Die Aufnahme steht ganz im Zeichen der historisch informierten Aufführungspraxis, wirkt klanglich dietätisch und trägt dem Charakter des Konzerts als frei fantasierendem Cellomonolog mit subtiler Orchesterbegleitung nicht Rechnung. Vibratoarmer Celloton und dynamische Vorsicht bei teilweise schroff aufflammender Artikulation des Orchesters konnten mich nicht überzeugen und noch weniger emotional ansprechen.
Dann kam er. Der österreichische Cellist mit iranischen Wurzeln Kian Soltani, Vollblutmusiker, der nicht zuletzt mit drei Kammermusik-Alben mit Daniel und Michael Barenboim als Partner für musikalische Furore gesorgt hat. Aus seinem neuen Schumann-Album habe ich ihn mit Live Kostproben kürzlich im Berliner Säälchen (Yellow Lounge) erlebt. Richtig begeistert hat mich dieses Album mit dem Cellokonzert, bei dem er selber die Camerata Salzburg, spannungsreich und rhythmisch aufmerksam leitet.
Diesem atmosphärisch so unausgeglichenen, zuerst introvertiert grummelnden, dann euphorisch aufjauchzenden Konzert kommt Soltani mit seiner Stradivarius „London ex Boccherini 1694“ durch diskursiv eindringlichen Erzählfluss, sinnlichem Sangeston und eine technische Virtuosität sondergleichen auf die Spur. Dabei geht nicht nur der luxuriöse Cellolang runter wie Öl, sondern ich habe zum ersten Mal den Eindruck, dass mir einer trotz Unruhe der Musik etwas Stimmiges mitteilt, das auch mit Interesse nachvollzogen werden kann.
Wer Authentisches wissen will: Der Cellist hat im Bocklet unter dem Titel „Zwischen lyrischer Freiheit und kompositorischer Strenge“ detailliert dargelegt, wie er diese Musik versteht. Zum letzten Satz merkt er an: „Nach den inneren Kämpfen des ersten und der Liebeserklärung des zweiten Satzes bietet dieser mit ‚Sehr lebhaft‘ überschriebene Satz nun frohe Erlösung, überschäumend vor Lebensfreude, Temperament und selbstbewusster Euphorie.“ Und genau diese Katharsis ist es, die das Cellokonzert so außergewöhnlich macht, es trotz des Gefühlswirrwarrs des ersten Satzes final strahlen lässt.
Den Rest des Albums füllen Bearbeitungen. Zuerst „Abendlied“, Auf einer Burg“, 5 Stücke im Volkston und „Mondnacht“ in Arrangements für Cello und Orchester von Michael Rot & Matthias Spindler. Eine weitere Auswahl an Liedern („Die Lotosblume“, „Hör ich das Liedchen singen“, „In der Fremde“, „Abschied“, „Wehmut“, „Schneeglöckchen“, „Widmung“ sowie Clara Schumanns „Ich stand in dunklen Träumen“ hat Soltani selbst für Cello und Klavier bearbeitet. Ich stehe solchen rein instrumentalen Lied-Bearbeitungen skeptisch gegenüber, weil kein Instrument der Welt, auch kein Cello, die menschliche Stimme ersetzen kann. Mit eigenen Bearbeitungen hat Soltani bereits bei seinem „Dvořák-Album“ (Hauptprogrammpunkt Cellokonzert mit der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim) auf sich aufmerksam gemacht: Allegro moderato aus Romantische Stücke op. 75, „Lasst mich allein“ aus Vier Lieder op. 82 und „Als die alte Mutter sang“ aus Zigeunermelodien op. 55.
Natürlich bringt Soltani mit dem romantischen, groß dimensionierten Celloton die Melodien zu Leuchten. Er ist ein begnadeter Poet auf seinem Instrument. Ich kann auch den Bearbeitungen für Cello und Orchester etwas abgewinnen. Die Einwände, besonders die Variante Cello/Klavier betreffend, habe ich erwähnt.
Fazit: Die Aufnahme des Schumann-Cellokonzerts ist dank der überragenden Kunst des Kian Soltani ein Fall für die einsame Insel. Die Bearbeitungen bleiben jenen vorbehalten, die das mögen. Die Camerata Salzburg und der Pianist Julien Quentin sind top.
Dr. Ingobert Waltenberger