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CD RICHARD STRAUSS: VIER LETZTE LIEDER mit ASMIK GRIGORIAN; alpha

03.02.2024 | cd

CD RICHARD STRAUSS: VIER LETZTE LIEDER mit ASMIK GRIGORIAN; alpha

Veröffentlichung: 9.2.2024

gega

Die mit ihrem amberfarben-glühenden, jugendlich dramatischen Sopran in Rollen wie Jenufa, Tatjana, Lisa, Madama Butterfly oder Turandot auf der Bühne als Gesamtkunstwerk erfolgreiche litauische Sopranistin Asmik Grigorian legt nach ihren Salome-Auftritten bei den Salzburger Festspielen 2018 und in Hamburg 2023 ihre Interpretation der „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss auf Tonträger vor. Live hat Grigorian diese Lebensabschiedsgesänge ebenfalls schon geschultert, und zwar in Rom am 14.4.2023, mit der Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter Sir Antonio Pappano, wie auf Youtube nachzuhören ist.

Nun gibt es als Novität Asmik Grigorian mit den „Vier letzten Liedern“ in zwei Ausfertigungen: Einmal mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France unter der musikalischen Leitung von Mikko Franck und als Rarität in der selten zu hörenden Version für Singstimme und Klavier – vom Verlag Boosey & Hawkes wurden posthum beide Fassungen veröffentlicht – mit Markus Hinterhäuser am Flügel.

1848 in der Schweiz auf Texte von Joseph von Eichendorff (Im Abendrot) und Hermann Hesse (Frühling, September, Beim Schlafengehen) entstanden, markieren diese Lieder ein persönliches künstlerisches Testament des Komponisten, aber auch die allerletzten Ausläufer der musikalischen Spätromantik.

Tod und Abschied in überirdischer Schönheit inmitten elegischer Frühlings-Reminiszenzen, umflort von des Herbstes kostbarsten Rosen. Die müde Seele sehnt sich danach, in der Nacht zu entschweben. Zwei Nachtigallen zwitschern ihr Liebeslied, bevor die Welt in friedvoller Stille und Abendrot versinkt.

Grigorian geht mit ihren ganz eigenen Mitteln an die Sache, ihre besondere Gabe eines hypnotisierenden Ausdrucks und absoluter Verinnerlichung lassen Glanzlichter aufblitzen, ohne dass sie in diesem Genre vollends überzeugen könnte. Mit weit flutender, aber auch unruhiger und in der Höhe nicht immer freier Stimme ist am Ende eine sehr intim geratene Wiedergabe zustande gekommen. Das signalisiert nicht zuletzt das grafische Rundherum des Albums mit Zeichnungen von Grigorians Kindern Lea und Nojus, garniert mit dem offenbar die Künstlerin wärmenden Satz „I am not alone, when I am alone.“

Will Grigorian mit ihrer Lesart einen Weg in die Unendlichkeit beschreiten, wie es das Cover mit der Aufschrift „Law of Solitude“ und der mathematischen Formel 4+4= ∞ suggeriert? Belassen wir es bei den Andeutungen. Wichtiger ist: In der Mittellage und im Piano fesseln generöse Legatobögen. Die von luxuriösen Ornamenten gesäumte, schwermütige Atmosphäre dieses lebensdämmernden Schwanengesangs geht auch bei einer tief empfundenen Imperfektion nahe.

Kann Asmik Grigorian mit den legendären, in Sangesflausch und kristallenen Gleißtönen schwelgenden Interpretationen einer Schwarzkopf, einer Lisa della Casa, einer Janowitz oder einer J. Norman mithalten? Nein, sie kann es nicht und will sich wahrscheinlich auch gar keinem solchen Vergleich aussetzen. Grigorians Sopran hat mittlerweile solcherart an Dramatik zugelegt, dass die in ekstatischer Erinnerung schwelgenden, technisch fordernden Aufschwünge in der ersten und zweiten Strophe vom „Frühling“ oder die ganze dritte Strophe von „Beim Schlafengehen“ nicht von jeglicher Erdenschwere befreit abzuheben vermögen.

Die Fassung für Singstimme und Klavier, fast ein Jahr nach der orchesterbegleiteten Version (aufgenommen im Juni 2022 im Auditorium von Radio France in Paris) im Mai 2023 im Herkulessaal München aufgenommenen, ist schon aus Repertoiregründen die interessantere. Hier werden diese Gesänge auf ihre Struktur, ihr musikalisches Gerüst zurückgeführt. Als einzigartiges Faszinosum der Musikgeschichte mag jedoch auch hier die Einladung zu Traumsequenz und meditativer Einkehr locken.

Die Begleitung sowohl orchestral als auch mit Markus Hinterhäuser am Flügel lässt keinen Wunsch an Durchsichtigkeit, Sensibilität und Achtsamkeit der Solistin gegenüber offen.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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