CD RICHARD STRAUSS: JESSYE NORMAN singt Lieder und SALOMES Schlussmonolog – KLAUS TENNSTEDT dirigiert das London Philharmonic Orchestra; BBC Recording, LPO
Die „Le Bourgeois Gentilhomme“ Suite und der „Tanz der Sieben Schleier“ erglänzten zudem in der Sternstunde vom 4. Mai 1986 in der Southbank Centre‘s Royal Festival Hall
Die Studio-Gesamtaufnahme aus Dresden 1990 von Strauss „Salome“ mit Jessye Norman litt unter dem behäbigen Dirigat von Seiji Ozawa. Die Kritik damals hielt der Diva vor, keine Verführerin, keine Versucherin, keine femme fatale zu sein. Nun, Jessye Norman ist in der Tat nicht die unschuldig-verdorbene Lolita-Sirene, die die Interpretation der Ljuba Welitsch so einzigartig machte und auch nicht die in mystischer Unificatio mit Jochanaan sich ins Nirwana singende Salome einer Leonie Rysanek.
Jedoch gelingt dieser legendären Heroine live unter dem aufregend schillernden Dirigat des Klaus Tennstedt eine Interpretation der fünf Lieder „Cäclilie“, „Ruhe, meine Seele“, „Meinem Kinde“, „Wiegenlied“, „Zueignung“ und eben der Schlussszene aus „Salome“ im idealer Form. Wir hören nichts weniger als die sinnliche Quintessenz der eruptiven Emanationen Strauss‘schen Gesangs. Das mögen manche als manieriert wahrnehmen, andere wiederum als allerhöchste Erfüllung. Ich selber bin schlicht dankbar für die Veröffentlichung, nicht zuletzt weil dieses Dokument wohl einiges zurecht rückt, was derzeit als Salome Interpretationen so in den Himmel gelobt wird.
Norman ist in diesem Schlussgesang ganz in ihrem Element. Diese Königin von Saba im Kleid der verwöhnten Prinzessin von Judäa bringt eine einzigartige Mischung aus einem Tsunami an Klang und spitzzüngiger Artikulation, aus perverser Lust am Töten, erotischer Leichenschänderei, und führt im ekstatischen Gang in den eigenen Tod einen der edelsten Sopran ever on top der Möglichkeiten ins Rennen, der üppiger, cremiger, obertonreicher und mächtiger nicht vorstellbar ist. Norman liefert ein Art Deco Klanggemälde für die Ewigkeit, den größten Bildschöpfungen von Klimt und Schiele übertragen aufs Akustische absolut ebenbürtig.
Klaus Tennstedt, der mit der Sängerin für die EMI auch ein denkwürdiges Wagner-Album eingespielt hat, ist als Dirigent eine Klasse für sich, gemeinsam mit der Norman bildet er in diesem erstmals veröffentlichten Mitschnitt ein unschlagbares Duo.
Dr. Ingobert Waltenberger