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CD RICHARD STRAUSS: DIE FRAU OHNE SCHATTEN – Wiener Staatsoper live 25.5.2019, ORFEO

28.03.2020 | cd

CD RICHARD STRAUSS: DIE FRAU OHNE SCHATTEN – Wiener Staatsoper live 25.5.2019, ORFEO

 

Veröffentlichung: 3.4.2020

 

Am 10.10.1919 wurde die „Frau ohne Schatten“ an der Wiener Oper uraufgeführt. 150 Jahre später dirigierte Christian Thielemann die Jubiläums-Premiere, dessen akustischer Mitschnitt nun bei ORFEO auf CD vorliegt.

 

Die Aufführungen der „Frau ohne Schatten“ an der Wiener Staatsoper sind dank Dirigenten wie Karl Böhm, Herbert von Karajan, Horst Stein oder Giuseppe Sinopoli legendär. Aber auch die luxuriösen und stimmgewaltigen Besetzungen seit der Premiere anlässlich des Wiedereröffnungsreigens der Wiener Staatsoper 1955 trugen mit Hilfe von Karl Böhms unermüdlichen Einsatz für diese Märchenoper dazu bei, dass die „Frau ohne Schatten“  international zu einem Bestseller wurde (u.a. MET Eröffnung 1966, Salzburg 1974). Wir erinnern uns an Sternstunden mit der wohl besten Kaiserin aller Zeiten Leonie Rysanek, nicht minder beeindruckend waren Christa Ludwig oder Birgit Nilsson als Färbersfrau, Walter Berry als Färber und James King als Kaiser. Bei Karajan gab es auch in den kleinsten Rollen Glanzlichter sondergleichen, so sang Lucia Popp den Hüter der Schwelle des Tempels oder Fritz Wunderlich den Jüngling. 

 

Viele der wichtigsten Aufführungen der Wiener Staatsoper sind auf Tonträgern erhalten: Mitschnitt vom 9.11.1955, autorisiert erschienen bei ORFEO; vom 11.6.1964 Karajan A-Premiere, u.a.bei Nouva Era; vom 17.6.1964 Karajan B-Premiere u.a. bei Gala, oder aus der Aufführungsserie 1977, Deutsche Grammophon). 

 

Wie schlägt sich nun die Wiener Aufführung aus dem Jahr 2019 mit ihren Vorgängerinnen?

 

Christian Thielemann nimmt breite Tempi, dirigiert im Vergleich zu den großen Dirigenten vor ihm kammermusikalisch lyrischer, aber auch spannungsärmer und hat die orchestral insgesamt weniger eindrucksvolle Karte.  Vielleicht trägt auch eine nicht optimale Aufnahmetechnik ihren Teil dazu bei, dass die Aufführung auf mich so wenig Eindruck macht. Manchmal entsteht der Eindruck, dass Orchester und die Sänger nebeneinander herlaufen. 

 

Thielamann hat die „Frau ohne Schatten“ schon im Sommer 2011 in Salzburg – es war sein Salzburger Operndebüt mit den Wiener Philharmonikern – dirigiert. Beim Label Opus Arte kam von dieser von der Besetzung her besser disponierten und instrumental opulenteren Aufführung ein Videomitschnitt heraus. Drei Namen der fünf Hauptpartien von 2019 befanden sich schon damals auf dem Besetzungszettel. Stephen Gould als Kaiser, Wolfgang Koch als Färber und Eveyln Herlitzius. Herlitzius sang 2011 noch die Färberin, sie ist zwischenzeitig zur Amme gewechselt.

 

Die Aufführung ist rein stimmlich nur von den drei weiblichen Hauptpartien her interessant und hörenswert. Der sonst großartige und hoch geschätzte Stephan Gould hatte einen schwarzen Abend. Der Auftrittsmonolog mit gerade noch zurecht gestemmten steifen Höhen zeugt von einer Indisposition. Wolfgang Koch wiederum hat gegenüber 2011 an Volumen verloren, sein Bariton klingt stumpf und müde.

 

Camilla Nylund gehört gemeinsam mit Simone Schneider (2014 in Leipzig hat sie mich schwer beeindruckt) zu den aktuell besten Interpretinnen der von der Tessitura her so anspruchsvollen Rolle der Kaiserin. 2019 kann Nylund mit sicheren Höhen, silbernem Strauss-Timbre und differenziertem Gestaltungsvermögen punkten. Auf CD imponiert auch Nina Stemme als Färberin. Sie verleiht der Partie die erdigeren Töne der schwer frustrierten Ehefrau genau so wie die licht zurück genommenen nach der reuevollen Erkenntnis von Liebe und partnerschaftlicher Zugehörigkeit. Am besten gefällt mir Evelyn Herlizius als Amme. Von getriebener todbringender Dämonie und dunkler Verführungsmagie wie einst Elisabeth Höngen ist sie dramaturgische Drehangel des Stücks. Rein stimmlich liegt ihr die Amme besser als die Färberin. Ihr ausdrucksvoller Charakter(mezzo)sopran scheint wie geschaffen für die Rolle. Limits in der Höhe hatten auch andere prominente Vertreterinnen der Rolle.

 

Fazit: Der Opernfreund wäre besser bedient gewesen, hätte man den gloriosen und künstlerisch weit geschlosseneren Mitschnitt der Premiere vom 11.12.1999 unter dem spätromantisch üppig fordernden Dirigat von Giuseppe Sinopoli mit Voigt, Schnaut, Botha, Struckmann und Lipovsek autorisiert veröffentlicht.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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