„Requiem“ von Gregor Joseph Werner bei audite erschienen/
Kirchenmusikalischer Geheimtipp
Erneut präsentiert das Ensemble „la festa musicale“ sowie das intonationsreine Voktett Hannover die Musik von Gregor Joseph Werner (1693 bis 1766), Kapellmeister und unmittelbarer Vorgänger Joseph Haydns am Hof Esterhazy. Trauer und Buße stehen dabei im Mittelpunkt. Dunkle Farbtöne zwischen Leid und Erlösung beeindrucken die Zuhörer. Hier faszinieren neben souveräner Fugenkunst vor allem kontrapunktische Finessen und eine zukunftsweisende Harmonik. Höhepunkt ist das dramatisch gestaltete Requiem mit Solisten, Chor und Posaunenklang. Das Spätwerk Requiem in c-Moll beeindruckt unmittelbar durch seine dunklen Farben und den emotionsgeladenen Introitus. In der Kyrie-Fuge erscheint die schmerzvolle verminderte Terz im Fugenthema. Hier dominiert die intervallische Umkehrung sehr deutlich beim für Werner so typischen gespannten übermäßigen Sextklang. Leidenschaftlich wirkt das „Christe eleison“, das hier in kunstvoller Weise in das Fugenthema eingebettet wird. Manches erinnert an die Kyrie-Doppelfuge des Mozart-Requiems. Monumental wirkt das „Dies irae“, während das „Sanctus“ eher eine mystische Aura erhält. Sehr einfühlsam wird auch das „Benedictus“ interpretiert. Sehr eindringlich musiziert das Ensemble „la festa musicale“ und das Vokett Hannover unter der Leitung von Lajos Rovatkay schließlich das „Agnus Dei“. Der Reigen der Heiligen in der gewaltigen Schlussfuge „Cum sanctis tuis“ gibt den Blick frei auf das ewige Leben. Die einfühlsamen Gesangssolisten Magdalene Harer (Sopran), Anne Bierwirth (Alt), Tobias Hunger (Tenor) und Markus Flaig (Bassbariton) gestalten den vokalen Teil ausgesprochen klangfarbenreich. Die reichen Verzierungen der Klage stehen bei der im Jahre 1759 entstandenen instrumentalen Sonatina in g im Mittelpunkt. In der Einleitung fällt die chromatische Tonfolge auf – und in der Fuge sticht die „Seufzer“-Formel hervor. Altersreife zeichnet das „Miserere mei Deus“ aus dem Jahre 1764 aus, dessen kontrapunktische Finessen ebenfalls auffallen. Es besteht hier eine gewisse musikalische Verbindung zu Gregorio Allegris berühmtem „Miserere“, das in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan noch bis zum Jahre 1870 gesungen wurde. Werner hat hier eine ebenso ergreifend-schlichte Satzweise komponiert wie beim instrumentalen Introductio „Der verlorene Sohn“ III/6, wo die zweisätzige Anlage der Wiener Kirchensonate des Spätbarock deutlich hervorsticht. Sie besteht aus einer langsamen Einleitung und einer schnellen Fuge. Die tiefe Note B bildet hier einen emotionalen Mittelpunkt. Auch der neapolitanische Stil und das programmmusikalische Prinzip blitzt bei diesen ungewöhnlich zukunftsweisenden Kompositionen immer wieder deutlich hervor. Satztechnische und formale Vielfalt korrespondieren in eindrucksvoller Weise mit einem ausgefeilten Concerto-Stil. Haydn und Werner waren in besonderer Weise miteinander verbunden. Im Jahre 1804 bearbeitete Haydn sechs Fugen aus den Oratorien Werners für Streichquartett.
Ein gewisser Einfluss auf Haydns Komposition „Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze“ sind deswegen nicht zu leugnen.
Alexander Walther