Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD RECORDER CONCERTOS from SANSSOUCI – ISAAC MAKHDOOMI, Ensemble Piccante mit Musik von Johann Joachim QUANTZ, C.P.E. BACH, Franz BENDA und Carl Heinrich GRAUN; Prospero

08.02.2025 | cd

CD RECORDER CONCERTOS from SANSSOUCI – ISAAC MAKHDOOMI, Ensemble Piccante mit Musik von Johann Joachim QUANTZ, C.P.E. BACH, Franz BENDA und Carl Heinrich GRAUN; Prospero

asik

„Aus der Seele muss man spielen und nicht wie ein abgerichteter Vogel. Ein Clavirist dieser Art verdient mehr Dank als ein anderer Musikus.“ C.P.E. Bach

Die Blockflöte in ihren heute technisch vervollkommneten Variantenlagen Alt, Tenor oder Sopran ist schon ein klangliches Wunderding. Besonders dann, wenn ein Könner und leidenschaftlich Besessener wie Isaac Makhdoomi rangeht. Dazu hat Makhdoomi die musikalische Leitung des von ihm 2018 ins Leben gerufenen Ensembles Piccante inne.  

Um wieviel größer fällt die Verzauberung aus, wenn das Konzert für Altblockflöte in A-Dur, QV 5:174 des Flötenaltmeisters aus Potsdam schlechthin, notabene des Lehrers und kammermusikalischen Partners des preußischen Königs Friedrichs des Großen, Johann Joachim Quantz, auf dem Programm steht. Das 1745 in Berlin entstandene Stück gehört zu den Dauerbrennern für Flötisten. Mangelware sind diese Flötenkonzerte beileibe nicht, denn Quantz komponierte rund 300 davon.

Der sogenannte empfindsame Stil, der sich ab 1740 in Potsdam etablierte, hat selbstverständlich nichts mit Sentimentalität oder „Schmalz“ zu tun. Vielmehr konnte mit und in ihm ein individuell-rhapsodischer Duktus, eine gewisse Exzentrik mit eingeschlossen, Platz greifen. Die Fantasie konnte frei und unbekümmert fliegen wie ein prächtig gefiedertes Vogerl auf Balz im Frühling, natürlich kein „abgerichtetes“.

Der Kontakt Friedrichs zu Quantz kam über Besuche der preußischen Königsfamilie bei August II. von Sachsen zustande. Quantz selbst war ursprünglich Oboist und wechselte auf Anraten von Johann Georg Pisendel das Instrument, dessen Raffinessen er beim Solo-Flötisten der Dresdner Hofpakelle, Pierre-Gabriel Buffardin, erlernte. Als Hofflötist der Kurfürstlich-Sächsischen und Königlich-Polnischen Kapelle machte auf den jungen Kronprinzen offenbar einen so inflammierten Eindruck, dass Friedrich sich dazu entschloss, selbst das Instrument zu erlernen. Darüber hinaus entstand der Plan, den Virtuosen, Flötenbauer (innovativ war die Hinzufügung der zweiten Klappe) und Theoretiker („Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen“) Quantz selbst an seinen Hof zu verpflichten. Von da an gab es täglich Unterricht und Üben, dies teilweise auch in den matschigen Feldlagern.

Gott sei dank befand sich Friedrich aber nicht nur in karg-kriegerischen Zelten, sondern verbrachte viel Zeit im Schloss Sanssouci, wo die abendliche Lieblingsunterhaltung des Königs zumindest vom April bis Oktober darin bestand, private Konzerte unter Mitwirkung von Quantz, C.P.E. Bach, Benda und Graun abzuhalten. Dabei trat Friedrich nicht nur als ausführender und Zeitzeugen zufolge talentierter Musiker in Erscheinung, sondern schrieb selbst eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Solosonaten, Konzerten, Sinfonien und Arien.

Wie schwierig und lebensbedrohlich diese Leidenschaften des jungen Friedrich für Musik (und Männer) unter den strengen und brutalen Auspizien seines jeglichen nichtmilitärischen Zeitvertreib verachtenden Vaters, des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., gewesen sein muss, ist erschütternd im Roman „Zeithain“ von Michael Roes nachzulesen. Es handelt u.a. von des Prinzen glühender Freundschaft zum ebenfalls musischen Hans Hermann von Katte, von den sadistischen Quälereien und körperlichen Misshandlungen durch Friedrichs Vater sowie das unvorstellbar harte Leben an den damaligen Höfen als auch im Feld. Wer wissen will, wie es Friedrich in seiner Jugend erging, dem sei dieses Buch zur Lektüre empfohlen.

Auf dem neuen Album von eigentlich für eine Traversflöte komponierten Konzerten aus Sanssouci hat der aus Basel stammende Isaac Makhdoomi die Blockflöte in verschiedenen Stimmungen, und zwar in C, d, f und g, als sein ureigenes Instrument gewählt. Fünf Blockflöten kommen insgesamt in den Konzerten von Quantz, von C.P.E. Bach in d-Moll, Wq. 22 sowie von Franz Benda in d-Moll, L 2.4 zum Einsatz. Von Carl Heinrich Graun ist eine Bearbeitung der Arie ‚D’Ogni aura al mormorar‘ aus der Oper „L‘Orfeo“ für Altblockfklöte von Isaac Makhdoomi zu hören. Makhdoomi spielt hier auf einer Voice flute in d nach Peter Bressan. Die Altblockflöte imitiert den Gesangspart der angstverlorenen Lage von Orfeos Bruder Aristeo auf eindrückliche Art und Weise.

Die Beschäftigung mit der atemberaubenden Bravour, aber ebenso edlen, und mitunter zerbrechlich wirkenden Schönheit dieser barocken Kostbarkeiten entführt uns in eine seltsam von den damaligen wie heutigen Realitäten fern entrückte Welt. Die freimütig sich windenden, in Geheimkammern der Seele schmiegenden, reich verzierte, florale Schnörkel imitierenden Läufe von Allegro und Presto des Quantz’schen A-Dur Konzertes spielt Makhdoomi mit einer unverschämten Leichtigkeit in ungemein sonor sinnlicher Tonalität.

Diese kontraaltgleiche Fülle und Wandelbarkeit des Klangs ist es auch, die beim d-Moll Konzert des „Berliner Bachs“ entzückt. Das Orchester legt im Allegro im Vergleich zu Quantz eine markantere Gangart vor, während Makhdoomi im ‚Un poco Andante‘ mit einer poetisch-sanglichen Melodieführung besticht. Das ‚Allegro di molto‘ wiederum gebärdet sich ungestüm. Das Orchester malt schwungvoll die bei dieser musikalischen Kutschenfahrt rasant vorbeiziehenden Landschaften.

Besonders hervorzuheben ist das Konzert in d-Moll des durch verschiedene Melodramen auch Opernkennern geläufigen Franz Benda. Auf dem Album erklingt das eigentlich für Violine geschriebene Konzert dank eines speziellen, glöckchenhellen Instruments nach Johann Christoph Denner in der hohen Originaltonart. Makhdoomi: „Der Gestus des Sturm und Drang tritt im ersten Satz sehr deutlich zutage und setzt der klanglich prononcierten Sopranblockflöte in den Begleitstimmen einen lustvollen Gegenpart für ein virtuoses Klangspektakel entgegen.“ Im Presto zeigt Makhdoomi sein großes Temperament und die Freude am endlosen Reigen launiger Verzierungen.

Fazit: Welch vergnügliches Kiebitzen in die abendlichen Salons Friedrichs des Großen! Makhdoomi ist in diesem abwechslungsreichen Programm als aktuell wohl bester Blockflöter auf der Höhe seiner Kunst zu erleben.  

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken