CD RAMEAU meets ABBA: Lautten Compagney Berlin und Asya Fateyeva, deutsche harmonia mundi
Besser, dieses Treffen hätte nicht stattgefunden!
Der Cellist und Arrangeur der Lautten Compagney Berlin, Bo Wiget, wollte Abba-Songs für die Bedürfnisse dieses formidablen Alte Musik Ensembles zurechtschneidern und Wolfgang Katschner, Chef der Compagney, hatte Rameau dazu vorgeschlagen, weil bei solchen Kombinationen „die Partei neben der Popmusik einen starken Eigenwert“ haben müsse. Außerdem wolle man die Zusammenarbeit mit der Saxophonistin Asya Fateyeva verstärken und fortsetzen. Na gut. Nur muss man das Ergebnis mögen? Nein!
Da wäre auf der einen Seite der kompositorische Spät-Spät-Zünder Jean-Philippe Rameau, ein innovatives Genie, Cembalist, Organist, Dirigent, Musikwissenschaftler, und jenseits seines 50. Lebensalters auch ein unverzichtbarer Tonsetzer der französischen Barockoper. Sein Name ist untrennbar mit dem Hofe von Ludwig XV. verbunden, von dem er in den Adelsstand erhoben und zum Kabinettskomponisten gekürt wurde. Einer meiner erklärten Lieblingskomponisten.
Auf der anderen Seite hören wir Arrangements von Schlagern der schwedischen Popband Abba aus den 70-er Jahren (mit einem eigentümlichen „Comeback“ 2021) für Barockensemble und Saxophon. Deren berühmteste Ohrwürmer SOS, Mamma Mia, Fernando, Dancing Queen, Money, Money, Money, Thank You for the Music, Take a Chance on Me, Gimme! Gimme! Gimme! (A Man After Midnight), Voulez-vous, The Winner Takes It All, Lay All Your Love on Me und Super Trouper haben alle Charts gestürmt, sich millionenfach verkauft und erfreuen sich bis heute äußerster Beliebtheit. Zurecht, denn die vier Gloriosen – Benny Andersson, Björn Ulvaeus und die Leadsängerinnen Anni-Frid Lyngstad und Agnetha Fältskog – hatten echt was drauf und einen einzigartigen (Vokal)Sound mit maximalem Wiedererkennungswert kreiert. Aber diese Songs ohne Original-Stimmen und Text? Nein, das geht für mich gar nicht.
Kein Zweifel, dass die Lautten Compagney Berlin die Musik von Jean-Philippe Rameau in den instrumentalen Kostproben aus „Les Boréades“, „Nais“, „Les Indes Galantes“, „Hipployte et Aricie“ & Co ganz vorzüglich meistert, ja mehr als das, sie wunderbar zum Schwingen bringt. Aber mit diesem „Rameau-Klang“ aus Streichern, Cembalo, Barockgitarre, Tripelharfe, Chitarrone, Laute, Oboe, Blockflöte, erweitert durch ein sehr dezentes Saxophon, zwischendurch The greatest Hits von Abba zu streuen, ist musikalischer Nonsens. Vor allem die Begründung, dass, weil Rameau sehr artifiziell, aber auch exaltiert und avantgardistisch ist (stimmt alles) „es dadurch immer wieder gute Verbindungen und Brücken zu Abba“ (Katschner) gäbe, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Abba ist Mainstream-Pop einer Zeit, die so weit entfernt von den königlich höfischen Traditionen Frankreichs im 18. Jahrhundert ist, wie die der Planet Venus von der Erde.
Die durchwegs sehr braven Arrangements, „Gimme!Gimme!“ vielleicht ausgenommen, ernüchtern endgültig die mit dem Titel „Dancing Queen“ vielleicht verbundenen Erwartungshaltungen Die beiden Mixturen „Lay all your love on me“ & Loure Grave (aus Rameaus „Les Fêtes d’Hébé“) und „Money, Money, Money“ & Tambourin (ebenfalls aus „Les Fêtes d’Hébé“) verdeutlichen nochmals die Unvereinbarkeit der beiden Musikrichtungen. Ne supra crepidam. (Schuster, bleib bei deinen Leisten).
Schluss damit, keine Empfehlung.
Dr. Ingobert Waltenberger