CD PUCCINI „LOVE AFFAIRS“ – Jonas Kaufmann in Arien und Duetten aus La Bohème, Tosca, Manon Lescaut, La Fanciulla del West, Il Tabarro und Madama Butterfly; Sony
Duett-Album mit sechs Sopranistinnen als Hommage zum Puccini Jahres 2024
Puccini, ja überhaupt Verismo Opern und Jonas Kaufmann, das ist eine besondere künstlerische Liebesgeschichte. Bühnenhits und spektakuläre Aufführungen der Opern „Tosca“ (2-mal), „Manon Lescaut“, oder „La Fanciulla del West“ sind als Filmmitschnitte dokumentiert. Das erste mixed Puccini-Verismo-Arien-Album legte Kaufmann 2015 noch bei DECCA vor, mit Szenen aus „La Bohème“, „La Rondine“ und „Tosca“. Bei Sony erschien unmittelbar darauf „Jonas Kaufmann – Nessun Dorma, the Puccini Album“, wo er neben bekannteren Nummern auch Arien aus „Le Villi“ und „Edgar“ präsentierte. Dazu gesellt sich noch eine DVD/Blu-ray aus der Mailänder Scala „Jonas Kaufmann – An Evening with Puccini“, ebenfalls aus dem Jahr 2015. Damals zeigte sich Jonas Kaufmann stimmlich in Top-Form. Man glaubt ihm aufs Wort, dass dieser Komponist für ihn jugendliches Schlüsselerlebnis, als auch, dass er von der Oper „Tosca“ nicht genug kriegen kann. Sein Cavaradossi ist neben Werther, Florestan, Don Carlo, Lohengrin, Parsifal und Siegmund eine der Glanzpartien, mit denen Jonas Kaufmann Operngeschichte geschrieben hat.
Seither hat sich viel getan. Kaufmann hat sein Repertoire in Richtung heldisches Fach erweitert und höchst anspruchsvolle Rollen wie Tristan, Tannhäuser, Calaf oder Otello mehrfach auf der Bühne bzw. die letzteren zwei auch im Studio gesungen. Das hat Spuren hinterlassen. Die Stimme ist in der Höhe metallischer, bisweilen enger, generell weniger flexibel geworden, was auch nichts Außergewöhnliches in dem nun reiferen Stadium dieser langen Sängerkarriere ist. Aber natürlich Auswirkungen auf die Gestaltungsqualität und die Glaubwürdigkeit der verschiedenen Rollen hat.
Da ist das neue Puccini Album, das primär nicht noch einmal mit den gleichen Arien, sondern mit Duettszenen aufwartet, an sich eine gute Idee. Jonas Kaufmann würde andernfalls sich nur mit sich selbst als jüngerem und draufgängerischerem Interpreten einem direkten, nicht unproblematischen Vergleich aussetzen. Das ist zwar auch der Fall bei den Opern, von denen Gesamtaufnahmen vorliegen (ich möchte hier besonders die fantastische „Madama Butterfly“ aus dem Jahr 2009 mit Angela Gheorghiu in der Titelpartie erwähnen), fällt aber weniger ins Gewicht. Zumal der Reiz des neuen Albums „Love Affairs“ gerade darin liegt, dass Jonas Kaufmann hier prominente Kolleginnen eingeladen hat, mit ihm Liebesszenen aus den Opern „La Bohème“ (Pretty Yende als Mimi), aus „Manon Lescaut“ (Anna Netrebko als Manon), Tosca (Sonya Yoncheva als Tosca), La Fanciulla del West (Malin Byström als Minnie), Il Tabarro (Asmik Grigorian als Giorgetta) und Madama Butterfly (Maria Agresta als Butterfly) zum Besten zu geben. Ergänzt wird dieses Duett-Programm dann doch mit zwei Arien: „Che gelida manina!“ aus dem ersten Akt von „La Bohème“ und als Studio-Doublette ‚E lucevan le stelle‘ aus dem dritten Akt von „Tosca“.
Natürlich läuft Jonas Kaufmann bei Puccini sozusagen ein Heimspiel. Am meisten überzeugen entsprechend der aktuellen Stimmverfassung die dramatischeren Duette. Insbesondere ‚Tu, tu., amore‘ aus „Manon Lescaut“ mit einer in der Mittellage üppig vibrierenden, in den Höhen silbern glänzenden Anna Netrebko und einem viril auftrumpfenden Kaufmann ist großes Puccini Kino, ohne im Detail beckmessern zu wollen.
Ganz vorzüglich gelingen die beiden Szenen aus „La Fanciulla del West“ (‚Mister Johnson, siete rimasto indietro‘, ‚Quello che tacete‘), wo Kaufmanns dunkel-bronzenes Räuberporträt (wie gut ihm diese Rolle doch liegt!) auf die stimmlich verführerische Schankwirtin der Malin Byström trifft. In dieselbe Topliga fällt ‚O Luigi! Luigi!…Dimmi‘ aus „Il Tabarro“, wobei Asmik Grigorian wieder einmal ihre einzigartige Stellung als aktuell intensivste dramatische Sopranistin in der Welt der Oper untermauern kann. Die größte Überraschung freilich bietet Maria Agresta als Madama Butterfly. Wie sehr sich diese schlanke, nie überreizte Stimme, diese intelligente Sängerin doch zur absoluten Spitzenklasse gemausert hat! Die Geduld mit dem schweren Fach macht sich jetzt hörbar bezahlt. Legato, Phrasierung, Artikulation, gepflegtester Verismo! Jonas Kaufmann ist ihr ein kongenialer Partner und überzeugt als Pinkerton in den Ausschnitten aus dem ersten Akt mit Eleganz und tenoralem Schmelz.
In „Tosca“ überflügelt Kaufmann mit glühender Emphase seine sich diesmal nicht in bester stimmlicher Verfassung zeigende Partnerin Sonya Yoncheva. Ihre Mittellage erklingt luxuriös wie eh und je, aber die wenigen Höhen im ersten Akt scheinen seltsam fragil und dünn. Auf das Duett aus „La Bohème“ hätte man besser verzichten sollen, zu sehr stört hier das „gerade noch“ und manch glanzlos fahler Ton von Kaufmann gegenüber seiner blutjungen Sopranistin Pretty Yende, die stimmlich strahlend sogar das hohe C am Ende des Duetts noch von oben her ansingt.
Asher Fish begleitet in temperamentvoller Italianità und sängerischer Einfühlung mit dem sehr guten Orchestra del Teatro Comunale du Bologna.
Fazit: Puccini-Hochgefühle, aber auch gemischte Eindrücke eines überwiegend sehr interessanten, im Einzelnen nicht immer überzeugenden Albums.
Dr. Ingobert Waltenberger