CD: Premières Symphonies Bizet, Gounod, Saint-Saëns Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo Kazuki Yamada, musikalische Leitung Alpha Classic, Alpha 1149
Frühreife Töne mit Riviera-Schimmer: Yamada dirigiert Bizet, Gounod und Saint-Saëns
Es ist ein hübscher Gedanke: drei Komponisten, alle jung, ehrgeizig und so begabt, schreiben ihre ersten Sinfonien – und das mitten im 19. Jahrhundert, in jenem Paris, in dem musikalisches Talent so selbstverständlich war wie der Duft von Kaffee und Gischt auf den Boulevards.
Camille Saint-Saëns war fünfzehn, als er seine erste Sinfonie komponierte, ein Werk, das später mit der charmant-entmutigenden Bezeichnung „Nummer Null“ versehen wurde. Charles Gounod, der Älteste im Bunde, arbeitete an seiner D-Dur-Sinfonie, während er gerade eine Opernkrise verdauen musste – ein souveräner Akt der Selbsttherapie. Und der siebzehnjährige Bizet, Schüler, Genie und schon jetzt mehr als ein Versprechen, schrieb seine C-Dur-Sinfonie mit einer Selbstverständlichkeit, die an Frühreife grenzt.
Dass Alpha Classics diese drei „Premieren“ nun gemeinsam veröffentlicht, ist also nicht nur ein Programmkonstrukt, sondern ein kleines psychologisches Experiment: Wie klingt jugendlicher Überschwang, wenn er mit der Noblesse des Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo in Berührung kommt?
Kazuki Yamada, der das Orchester seit nahezu einem Jahrzehnt leitet, dirigiert Bizet mit spürbarer Zuneigung. Gleichwohl gerät sein Allegro vivace nicht ganz so lebhaft, wie der Titel verspricht. Man hört sorgfältige Phrasierung, feine Dynamik, alles wunderbar ausbalanciert – doch das letzte Quäntchen Übermut fehlt. Vielleicht ist Yamada schlicht zu kultiviert für diese Musik, zu sehr Ästhet, um den Schalk eines Siebzehnjährigen zuzulassen.
Dabei funkelt es durchaus: die Holzbläser tänzeln, die Streicher perlen, und irgendwo hinten lächelt ein Horn, als hätte es einen Witz verstanden, den der Rest des Orchesters erst später begreift. Nur hin und wieder meint man, dass die Riviera-Akustik – aufgenommen im Auditorium Rainier III, das bekanntlich gern etwas zu groß klingt – die Brillanz leicht verschleiert.
Gounods Sinfonie Nr. 1 ist ein Werk, das Haltung zeigt. Kein Funken Staub, kein Ausbruch, alles von gemessener Eleganz. Yamada hat ein feines Gespür für diese kontrollierte Noblesse, er lässt das Orchester singen, aber nie schwärmen. Manchmal, zugegeben, gerät das Allegretto moderato etwas zu gemütlich – ja so, als wolle man die Schönheit vor Übermut schützen.
Doch die Monte-Carlo-Musiker verstehen, was Gounod will: Transparenz, Symmetrie, jene spezifisch französische Mischung aus Vernunft und Charme. Selbst wenn der Satz hier und da auf der Stelle tritt, bleibt der Klang vornehm und der Atem weit.
Und dann Saint-Saëns, dieser ehrgeizige Teenager mit der Handschrift eines Professors. Seine Sinfonie in A-Dur ist so diszipliniert gebaut, dass man vergisst, wie jung ihr Schöpfer war. Yamada scheint sich in dieser Musik am wohlsten zu fühlen – vielleicht, weil sie seinem Sinn für Form entgegenkommt. Das Scherzo ist von jener Art spielerischer Präzision, die beim Zuhören leicht macht, was in Wahrheit so schwer ist.
Die Holzbläser glänzen mit diskreter Anmut, die Streicher klingen wie durch frische Meeresluft gefiltert. Nur im Finale wünschte man sich, der Dirigent ließe kurz die Kontrolle los. Aber auch so bleibt dieses Stück der überzeugendste Moment der Aufnahme: transparent, lebendig, nie manieriert.
Alpha Classics liefert, was man erwartet: Wärme, Detailtreue, ein Raum, der den Klang umarmt, statt ihn zu sezieren. Manche mögen das als „über-resonant“ empfinden – doch im Grunde passt es zu diesen jugendlichen Sinfonien. Ein bisschen Hall gehört dazu, so wie Sonnenlicht zu französischer Musik.
Manche Aufnahmen – Bernstein oder Beecham – bieten mehr Witz oder rhythmischen Biss. Aber Yamada sucht keine Konkurrenz. Er bietet stattdessen eine Art musikalischen Spaziergang: elegant, farbig, kontrolliert. Kein Funken Bravourismus, kein aufgesetztes Pathos.
Man darf diesen Zyklus auch als Abschied lesen: Yamada wird das Monte-Carlo-Orchester bald verlassen, und diese Einspielung wirkt wie eine letzte Visitenkarte. Keine große Aussage, eher ein leises „So klinge ich, wenn ich einfach Musik machen darf“. Und das ist, bei aller Bescheidenheit, durchaus sympathisch.
So ist diese Doppel-CD kein „Muss“, aber ein Sollte. Kein Paukenschlag, aber ein fein gezeichneter Dreiklang aus französischer Frühblüte. Bizet lacht, Gounod lächelt, Saint-Saëns denkt schon über die nächsten hundert Werke nach.
Und am Ende sitzt man da und denkt: Diese Musik, so jung sie ist, weiß erstaunlich gut, wohin sie will. Hörenswert!
Dirk Schauß, im Oktober 2025
Premières Symphonies
Bizet, Gounod, Saint-Saëns
Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo
Kazuki Yamada, musikalische Leitung
Alpha Classic, Alpha 1149