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CD PIETRO ANTONIO CESTI „La Dori, overo Lo schiavo reggio“ – Mitschnitt einer Aufführung der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik zum 350. Todestag des Komponisten; cpo

Frühbarocke byzantinisch-persische Liebesirrungen und solche Sachen

03.09.2020 | cd

CD PIETRO ANTONIO CESTI „La Dori, overo Lo schiavo reggio“ – Mitschnitt einer Aufführung der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik zum 350. Todestag des Komponisten; cpo

Frühbarocke byzantinisch-persische Liebesirrungen und solche Sachen

In jüngerer Zeit gelangte „Doris oder die glückhafte leibeigene Dienerin“ bisher 2018 in Varazdin/Kroatien, in London beim Spitalfields Festival (1983), in New York (1990) und Arezzo (1999) zur Aufführung. Dabei wurde „La Dori“ nach der Uraufführung im Innsbrucker Hoftheater 1657 eine der erfolgreichsten Opern des 17. Jahrhunderts. Verständlich, dass auch die Innsbrucker Festwochen – wenngleich spät – das Werk 2019 sozusagen als Homeplay auf den Spielplan gesetzt haben.

„Dori“ ist eine frühbarocke Oper in weiter entwickelter Monteverdi-Manier. Gemeinsam mit Cavalli gilt Cesti als einer der wichtigsten Vertreter der venezianischen Operntradition, wobei Cesti als „Botschafter“ Venedigs in Musiksachen nördlich der Alpen ein Riesenverdienst zukam. Dabei war hilfreich, dass er 1652 als maestro di cappella della camera in der Privatkapelle von Erzherzog Ferdinand Karl in Innsbruck eine Anstellung erhielt. Cesti war selber Tenor und soll in der Uraufführung von „Dori“ die Rolle von Doris Lehrer Arsete übernommen haben.

Sonst ist zu vermelden, dass es fruchtbar viele Fassungen der Oper gibt, alleine vom Prolog sind 14 verschiedene gezählt worden sind und dass die Handlung der Zeit entsprechend mega-verworren und – wie Monika Fink das im Booklet so schön bezeichnet – abgedroschen war. Dementsprechend verschlingt die Inhaltsangabe etliche Seiten. Hier nur so viel: Zum Schluss bekommt jeder Topf den passenden Deckel: Die nikäische Königstochter Dori den persischen Prinzen Oronte, der ägyptische Prinz Tolomeo seine Arsinoe. Den Rest kennen wir: Neben vielen dramatischen Wendungen und Volten, Verkleidungen und Verwechslungen gibt es eine unendliche Abfolge von Rezitativen (secco oder accompagnato) und Arien, letztere allerdings in einer enormen Qualität und subtil erdachten Vielfalt den einzelnen Charakteren entsprechend zugeordnet.

Der bloße Audiomitschnitt belegt, dass die Besetzung vom Feinsten war, was Stilistik und das Ausloten barocker Gesangsfinessen anlangt. Allen voran Francesca Ascioti als Dori/Ali mit umwerfend einschmeichelndem Mezzo, die ungarische Alte Musik Starsopranistin Emöke Baráth glänzt als Tolomeo/Celinda. Francesca Lombardi Mazzulli darf als jüngere Schwester von Dori Arsinoe vokalen Liebreiz verströmen. Rupert Entiknap als Oronte und Konstantin Derria als Eunuch des Serails von Babylon sind der modernen erfolgreichen Countertenorfraktion zuzurechnen. Die tieferen Register werden von Pietro Di Bianco als Hauptmann Erasto, Rocco Cavalluzzi als Golo sowie Federico Sacchi als Artaserse gezogen. Die Tenöre Bradley Smith als Arsete und Alberto Allegrezza als Amme Dirce runden das gut zusammengeschweißte Ensemble ab.

Ottavio Dantone pflegt hingegen mit der Accademia Bizantina eine eher behäbige Gangart. Leider wirkt sich das auf Tempo und Spritzigkeit der Komödie bisweilen lähmend aus. Eigenartigerweise ist auch von einer ungewohnten Sterilität des Klangs zu berichten, was die Musik allzu glattpoliert erscheinen lässt. Wie exemplarisch lebendig und packend ein akustischer Mitschnitt eines frühbarocken Juwels sein kann, ist anhand der CDs aus dem Teatro Verdi in Pisa vom Oktober 2019, man gab Alessandro Melanis „L’Empio punito“ (bei Glossa erschienen), erhörbar.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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