CD: PAUL WRANITZKY: Symphonies – Akademie für Alte Musik Berlin, Bernhard Forck
Die Wranitzky-Renaissance geht weiter: Eine Referenzaufnahme für Wranitzkys sinfonisches Schaffen
Der am 30. Dezember 1756 im mährischen Neureisch (heute: Nová Říše) geborene Komponist und Dirigent Paul Wranitzky und sein jüngerer Halbbruder Anton (1761-1820) spielten im Musikleben Wiens im ausklingenden 18. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Nach seiner ersten musikalischen Ausbildung im Prämonstratenserkloster seiner Heimatstadt und Studien in Iglau (heute: Jihlava) und Olmütz (heute: Olomouc) kam Wranitzky 1776 nach Wien, um auf Wunsch seiner Eltern Theologie zu studieren. Hier fasste er rasch Fuss und wurde Musikdirektor am theologischen Seminar und 1783 Musikdirektor beim Grafen Johann Baptist Esterházy de Galántha, einem Verwandten der in Eisenstadt residierenden Esterházys. Auf Empfehlung des Grafen wurde Wranitzky Mitglied der Loge «Zur gekrönten Hoffnung» und mit der Zusammenlegung von drei Wiener Logen im Jahre 1785 Logenbruder Mozarts. Im Rahmen der Loge lernte Wranitzky 1783 auch Joseph Martin Kraus (1756-1792) kennen, als sich dieser in Wien aufhielt. Ob der bereits arrivierte Komponist ihn nur ermunterte oder auch Unterricht erteilte, ist nicht überliefert. 1785 wurde Wranitzky Musikdirektor am Kärntnertortheater, 1787 dann auch am Burgtheater. Beide Positionen behielt er bis zu seinem Tod. Wranitzkys erstes Bühnenwerk, das Singspiel in drei Akten «Oberon, König der Elfen» wurde am 7. November 1789 im Freihaustheater von der Truppe Emanuel Schikaneders uraufgeführt. Der Erfolg war so gross, dass Schikaneder in der Folge mehrere Märchenopern produzierte, unter denen Mozarts Zauberflöte wohl die Bekannteste ist. Die Popularität von Wranitzkys Singspiel war bis Carl Maria von Webers Oberon von 1826 ungebrochen. Von 1794 bis 1807 war Wranitzky Sekretär der Tonkünstler-Societät, er feierte Erfolge als Dirigent und war der bevorzugte Komponist der Kaiserin Maria Theresia. Am 26. September 1808 starb Wranitzky in Wien. Sein Schaffen, mit 45 überlieferten Sinfonien war er in den 1790ern der auf diesem Gebiet führende Komponist, stand bald im Schatten jenes seiner Freunde Mozart, Haydn und Beethoven.
Die Aufnahme beginnt mit der Ouvertüre zu «Oberon, König der Elfen» (Allegro molto), der Vertonung des Versepos «Oberon» von Christoph Martin Wieland, die erst von Carl Maria von Webers Vertonung von den Bühnen verdrängt wurde. Das interessanteste Stück der Aufnahme ist die Sinfonie in c-Moll, Op. 31 “Grande Sinfonie caractéristique pour la paix avec la République Française“. Dabei handelt es sich um regelrechte Programm-Musik:
- Die Revolution: Marsch der Engländer. Marsch der Österreicher und Preußen.
Andante maestoso – Allegro molto – Tempo di marcia. Più maestoso – Più Allegro. Tempo primo
- Das Schicksal und der Tod Ludwigs XVI.
Adagio affettuoso – Marche funèbre
III. Marsch der Engländer – Marsch der Alliierten – Tumult einer Schlacht
Tempo di marcia movibile – Allegro
- Die Friedensverhandlungen. Freudengeschrei über den wiederhergestellten Frieden
Andante grazioso – Allegro vivace
Es ist schlicht unerhört, mit welcher Bildkraft, welcher Intensität, welcher Vorstellungskraft und Instrumentationskunst Wranitzky die verschiedenen Stationen umschreibt. Nicht minder beeindruckend ist die Sinfonie in D-Dur, Op. 36, die etwas schlichter daherkommt. Erst die Publikation verweist auf den Entstehungsanlass und das entsprechend versteckte Programm: «Sinfonie bei Gelegenheit der hohen Vermählung Sr. K.K. Hoheit des Erzherzogs Joseph, Palatinus von Ungarn mit Sr. K. Hoheit der Grosfürstin Alexandra Paulowna, verfast und dem hohen Brautpaare unterhänigst zugeeignet». Zwei heroisch-festliche Sätze rahmen zwei Sätze musikalischer nationaler Charakteristika: Janitscharen-Musik für Russland und die Polonaise für Polen. Mit einem unveröffentlichten Meisterstück Wranitzkys endet die Silberscheibe: der Sinfonie in d-Moll ”La Tempesta“.
Die Akademie für Alte Musik Berlin unter Konzertmeister Bernhard Forck spielt schlicht sensationell. Besser kann man die unerhörte Musik Wranitzkys nicht rehabilitieren! Diese Schlachtszene, die donnernden Kanonensalven und peitschenden Gewehrschüsse…
Eine Referenzaufnahme für Wranitzkys sinfonisches Schaffen!
17.04.2021, Jan Krobot/Zürich