Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD: PAUL LINCKE: OVERTURES VOL. 2 – Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt, Ernst Theiss

09.03.2023 | cd

CD: PAUL LINCKE: OVERTURES VOL. 2 – Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt, Ernst Theiss

luf

«Was Strauss einst war für Wien – ist Lincke für Berlin!»

Mit «Das ist die Berliner Luft» Overtures Vol. 2 führt das Label cpo die Serie mit Aufnahmen von Werken von Paul Linckes fort. Es spielt das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt unter musikalischer Leitung von Ernst Theis, 1996 bis 2000 Kapellmeister an der Wiener Volksoper und von 2003 bis 2013 Chefdirigent der Staatsoperette Dresden, für die er den Tonträger-Markt eröffnete.

Carl Emil Paul Lincke wurde am 7. November 1866 in Berlin Mitte, in der Nähe des Werderschen Marktes geboren. Fünf Jahre später starb der Magistratsdiener und Aushilfs-Geiger August Lincke, der Vater Pauls. Von nun an musste die Familie mit der schmalen Rente des Vaters und dem Lohn der als Weissnäherin arbeitenden Mutter über die Runden kommen. Paul hatte einen Freiplatz an einer privaten Realschule, aber die Neigung zur Geige und zur Musik wurde immer stärker. Ein Kollege des Vaters, Kontrabassist im Opernorchester, nahm sich des Jungen an und wurde sein Mentor. 1881 brach Lincke die Schule ab und ging nah Wittenberge zur «Stadtpfeiferei», einer Stadtkapelle mit musikalischer Erziehung der jungen Mitglieder. Dort studierte Lincke Fagott, Tenorhorn, Geige und Klavier und erwarb sich tiefgehende Repertoire-Kenntnis. Linckes musikalische Karriere begann dann im Schweizer Garten, einem beliebten Biergarten mit musikalischer Unterhaltung, und führte weiter über verschiedene Stationen bis 1897 zum Apollo-Theater, einer Spezialitätenbühne in der Friedrichstrasse, wo er als Kapellmeister für Begleit- und Auftrittsmusiken wie Couplets für Chansonnetten und Komiker zuständig war und mit «Venus auf Erden» (eng angelehnt an «Orpheus in der Unterwelt» seines Vorbilds Jacques Offenbach) einen ersten, grösseren Erfolg feiern konnte. Dieses und die nach dem Pariser Gastspiel geschaffenen Werke bestätigen den Rang Linckes als Gründer Berliner Operette, ähnlich den Rollen von Jacques Offenbach in Paris oder Franz Lehár in Wien. Seit der Jahrhundertwende betätigte sich Lincke mit dem Apollo-Verlag, den er zur Veröffentlichung eigener Werke gegründet hatte, als Verleger. Jedes der Werke erschien in unterschiedlichen Notenausgaben und mit eigener Ouvertüre für den Konzertgebrauch. Diese Ouvertüren waren immer, unabhängig vom Werk, in grosser Besetzung gesetzt, mit kunstvolle Überleitungen und besonderen Instrumentaleffekten versehen. Mit abendfüllenden Werken konnte Lincke im Gegensatz zu seinen Einaktern keine Erfolge mehr verbuchen: der Triumphzug der modernen Operette hatte ihn gnadenlos überrollt. Von etwa 1917 an beschränkte sich Lincke auf die Verlegertätigkeit und die sporadische Komposition von Instrumental-Stücken. Die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag entrissen Lincke der allmählichen Vergessenheit, brachten ihn aber auch mit der Führungsspitze des Dritten Reichs in engeren Kontakt. Zu Linckes 75. Geburtstag fasste der Komiker Franz Heigl kurz und knapp zusammen: «Was Strauss einst war für Wien – ist Lincke für Berlin!». Am 3. September 1946 starb Lincke in Hahnenklee im Harz.

Die Silberscheibe vereint die Ouvertüren zu «Frau Luna», «Nakiris Hochzeit», «Ein Liebestraum», «Im Reiche des Indra» und «Das blaue Bild» sowie die Instrumentalstücke «Sinnbild (Walzer)» (1898) und «Brandbrief-Galopp» (1911). Die «Ouvertüre zu einer Revue» und die «Ouvertüre zu einer Festlichkeit» gehören zum Spätwerk Linckes.

Das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt unter musikalischer Leitung von Ernst Theis musiziert schwungvoll hoch konzentriert, so dass die «Unverschämte Eingängigkeit, die einen überfährt» (so Linckes erster Biograph Edmund Nick) in jedem Moment erreicht wird. Theis geniesst mit dem Orchester, das auch den Soundtrack zum ZDF-Mehrteiler «Ku’damm 63», jede Feinheit Linckescher Instrumentationskunst.

Eine interessante Repertoire-Erweiterung!

05.03.2023, Jan Krobot/Zürich

 

Diese Seite drucken