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CD PAUL LEWIS spielt vier Klaviersonaten von JOSPEH HAYDN, harmonia mundi

Erster wohlgeratener Teil einer groß angelegten Edition

12.07.2018 | cd

CD PAUL LEWIS spielt vier Klaviersonaten von JOSPEH HAYDN, harmonia mundi – Erster wohlgeratener Teil einer groß angelegten Edition

War da etwa Bosheit mit im Spiel? Zuerst Erwartungen schüren, ein Thema erfinden, das immer wieder in einen falschen Akkord mündet. Ganz einfach den Hörer wie in der späten C-Dur Sonate Nr. 50 ganz gewaltig und mit dem Schalk im Nacken auflaufen lassen, ins Labyrinth führen? Ja ziemt sich denn sowas? Ja, würde Paul Lewis sagen, der mit der ersten Haydn-CD neue Pfade der Interpretation beschreitet. 

Joseph Haydn betrachtete das launige allmorgendliche Improvisieren auf dem Klavier als musikalisches Lebenselixier, als persönliches experimentelles Labor der Kompositionskunst, als Zähmungsmittel allzu exzessiver Stimmungen. Und Paul Lewis liebt hörbar das Ironische, das spielerisch phantastische sich die Welt Aneignen in den stilistisch so vielseitigen Klaviersonaten. Empfindsamkeit, Sturm und Drang, verdeckte Liebesgeständnisse voller Gefühl – wie zärtlich schmeichelt das Adagio e cantabile der Marianne von Genzinger gewidmeten Sonate in Es-Dur – kapriziöse Volten schlagende Durchführungen, wie vielfältig öffnet sich der Kosmos Haydns für Soloklavier.

Paul Lewis folgt weder den ausgetretenen Pfaden der Originalklangbewegung mit ihren exzessiven Tempi und dünn ziselierten Tönen noch kann er den in marmorner Starre museal  allzu behäbigen und steifen Interpretationen etwas abgewinnen. Mit augenzwinkerndem britischen Humor folgt Lewis seinem Lehrer und Vorbild Alfred Brendel, der ja auch großartige Haydn Einspielungen vorgelegt hat, findet aber seinen ganz persönliche unverwechselbare Note. Mit großem Ton, individuell den jeweiligen Satz charakterisierender Artikulation, lustvoll fein austarierten Details lässt Lewis keine Pointe aus, ist im Kontrapunkt so präzis wie er in der Extravaganz die Zügel schießen lässt. Dabei gelingt ihm der elastische Spagat aus innerer Balance,  Eleganz, poetischem Witz und absurd anmutender Exzentrik wie kaum einem anderen Interpreten vor ihm.

Der Hörer ist entzückt von der Anmut des Spiels und der noch immer erstaunlichen Frische der Invention, nicht Beiläufiges oder Routiniertes ist da auszumachen. In der Sonate Nr. 49 ist sogar schon als Zukunftsmusik der Beethoven der fünften Symphonie und der „Appassionata“ auszumachen. Für soviel erfinderische Gabe erhielt Haydn vom Fürsten Nikolaus I gar „eine goldne Tobacks Dose zum geschenk.“

Das neue Album markiert den hoffnungsfrohen Beginn einer neuen Gesamteinspielung ganz ,state of the art‘. Die wäre ja ohnedies schon überfällig.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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