Paganini-Violinkonzerte mit Manrico Padovani
Leidenschaftlich dämonisch
Insgesamt sechs Violinkonzerte hat Niccolo Paganini komponiert. Bravourös und dämonisch zugleich kommt hier die glühende Musik des „Teufelsgeigers“ zu Gehör. Das zeigen auch die ersten beiden Violinkonzerte, in denen er die stilistischen Grenzen individuell und kühn auslotet. Manrico Padovani präsentiert diese beiden bedeutenden Werke sowie die Sonata con variazioni in E-Dur über das Thema „Pria ch’io l’impegno“ aus der Oper „L’amor marinaro“ von Joseph Weigl mit reifem Ausdruck, glänzender Virtuosität und spieltechnischer Brillanz. Manrico Padovani gilt als eines der größten Geigentalente der Schweiz und wurde von Anne-Sophie Mutter durch ihre Stiftung unterstützt. Zusammen mit dem Oltenia Philharmonic Orchestra unter Boris Perrenoud musiziert Padovani das erste Violinkonzert in D-Dur op. 6 aus dem Jahre 1815 sehr weiträumig und zupackend. Ursprünglich stand das Konzert in Es-Dur. Die Sologeige, deren Stimme in D-Dur notiert war, musste einen halben Ton höher gestimmt werden. Den ausserordentlichen technischen Anforderungen wird Padovani hier in jeder Beziehung gerecht. Die Melodik erinnert zwar deutlich an Rossini, besitzt aber eine unheimliche Aura, die bei dieser Aufnahme deutlich hervortritt. Dem festlichen ersten Thema folgt als zweites Thema eine gesanglich wunderschön betonte Melodie, die immer stärker in den Vordergrund tritt. Der Schwung dieser Musik wird präzis ausgeleuchtet. Ein Höhepunkt bei dieser Aufnahme ist die fantasieartig ausgesponnende Durchführung. Auch das dritte Moll-Thema besitzt eine dämonische Aura, deren Intensität nicht nachlässt. Läufe, Triller und Doppelgriffe scheinen sich zu verselbständigen. Das leidenschaftliche Adagio geht unter die Haut. Ganz virtuos kommt dann das Rondo daher. Doppelgriffe im Flageolett verlangen vom Solisten Hexenkünste, die Manrico Padovani perfekt beherrscht. Das zweite Violinkonzert in h-Moll op. 7 „La Campanella“ aus dem Jahre 1826 ist seltener zu hören. Franz Liszt hat übrigens die Glöckchenmelodie in seiner Konzertetüde „La Campanella“ verwertet. Auch Brahms und Blacher fielen später in einen Paganini-Rausch. Im Rondo-Finale ertönt vor Eintritt des Ritornells fast gespenstisch ein Glöckchen, dessen Klangflächen sich mit dem viergestrichenen „fis“ der Violine mischen. Manrico Padovani spielt hier mit dem Seoul Güri Philharmonic Orchestra unter Boris Perrenoud mit wahrhaft fieberhafter Emphase, die eine gewisse Raserei nicht verleugnet. Die anschließenden Variationen über ein Thema aus einer Oper von Joseph Weigl betören den Zuhörer ebenfalls mit effektvoller Grandezza und einer atemberaubenden Presto-Stretta im Finale. Terzen- und Sexten-Doppelgriffe sowie raffinierte Terzen-Flageoletts stellen haarsträubende Anforderungen, die Padovani ebenfalls souverän meistert. Hinzu kommen noch Pizzicati- und Flageolett-Sequenzen in der dritten Variation, denen in der vierten Variation stupende Springbogen-Arpeggien folgen. Terzengriffe im Presto-Tempo halten den Geiger in der Coda in Atem. Zusammen mit dem OSI Orchestra della Svizzera Italiana unter Howard Griffiths bietet Padovani eine weitere Glanzleistung. Die klangliche Präsenz dieser Live-Aufnahme ist erstaunlich.
Alexander Walther