CD P. I. Tchaikovsky „IOLANTA“ – Wiederveröffentlichung der Live-Aufnahme aus dem Moskauer Konservatorium 2002, Panclassics
Zum 90. Geburtstag des Dirigenten Vladimir Fedoseyev – Olga Mykytenko und der junge Piotr Beczala brillieren als blinde Prinzessin Iolanta und als tenoral edler Ritter Vaudémont
Tschaikowskis Oper „Iolanta“ als Mitschnitt der Moskauer Aufführung vom 13.3.2002 ist zum ersten Mal 2004 beim Label Relief erschienen. Seit langem schon war diese CD vergriffen. Nun gibt es die von der Sopran- und Tenorbesetzung her wohl beste Aufnahme der Oper „Iolanta“ wieder, dank des 90. Geburtstages des Dirigenten bzw. der wachsenden Popularität des aktuell wohl auf dem Zenit seiner Möglichkeiten stehenden polnischen Tenors Piotr Beczala.
Das Provence-Märchen der blinden Prinzessin Iolante, ihres sie hermetisch abschirmenden Vaters König René und die wundersame Liebesgeschichte Iolante-Vaudémont hat Tchaikovsky nach dem Libretto seines Bruders Modest (basierend auf Vladimir Zotovs Übersetzung des Stücks ‚König Renés Tochter‘ von Henrik Hertz) 1891 zu einer musikalisch meisterlichen und gleichzeitig berührenden Oper gestaltet. Es ist reifster und bester Tchaikovsky, den wir hören, mit Quer-Referenzen zu „Manfred“ und anderen späten Kompositionen.
„Iolanta“ ist ein Liebesmärchen voller Romantik und mit Happy End: Sind dem maurischen Arzt Ibn-Hakia, der Iolante heilen soll, noch die Hände gebunden, weil er der Patientin nicht sagen darf, dass sie blind ist, wendet sich das Blatt, als Iolantes offizieller Bräutigam Robert, der Herzog von Burgund und dessen Freund Graf Vaudémont im Schlosspark auftauchen. Vaudémont spricht dem Mädchen von der Schönheit des Lichts und pflückt mir ihr Rosen. Die Liebe heilt alle Wunden, ist diesmal wohl förmlich zu verstehen. Robert verzichtet gerne auf seine Braut, weil er eine andere hat. Iolanta kann wieder sehen. Sie besingt die zauberhafte Welt, die für sie sichtbar geworden ist und wohl auch ihren Helden Vaudémont. Alles jubelt und lobpreist Gott.
Das Album ist einmal ein wichtiges, weil rares Zeugnis der Sangeskunst der ukrainischen Sopranistin Olga Mykytenko auf Tonträgern. Ensemblemitglied der Estnischen Nationaloper, verfügt Mykytenko über einen eminent luxuriös timbrierten lyrischen Sopran mit einer frei flutenden Höhe, der zu tragenden Pianissimi als auch zu dramatischer Expansion befähigt ist. Aber vor allem der beseelt poetische Vortrag ist es, der Mykytenko für die Rolle der jungen Prinzessin, die die Welt erst durch Liebe zu sehen lernt, prädestiniert. Ihr Vaudémont ist mit Piotr Beczala besetzt, der den mutigen, die schöne Prinzessin rettenden Jüngling auch später, u.a. 2015 an der MET in einer Neuinszenierung mit Anna Netrebko gesungen hat. Beczala ist in dieser Rolle eine Traumbesetzung. Mit fleischig kerniger Mittellage und silbrig strahlenden Höhen gibt er den lyrischen Verzauberer. Ein tenoraler Draufgänger mit Biss und jenem unwiderstehlichen Schmelz, der Melomanenherzen höher schlagen lässt.
Aber auch weitere Rollen sind großartig besetzt Beginnend mit Nina Romanova (Kontraalt), Bella Kabanova (Soporan) und Larissa Kostyuk (Mezzosopran) als Marta, Brigitta und Laura, die in ihrem schönen Trio vorführen, was homogener Ensemblegesang in Pianissimo vermag.
Die Baritone Andrey Grigoryev als Robert und Vladimir Krassov als Ibn-Hakia führen mit beeindruckend heldischen Stimmen die tiefer singende Männerriege an, während Benno Schollum als König René mit übermäßigem Vibrato und steifen Höhen enttäuscht.
Vladimir Fedoseyev und das Tchaikovsky Symphony Orchester des Moskauer Rundkunks lassen die immer noch zu selten aufgeführte Oper in all ihrer zauberischen Farbenpracht, ihrem Licht, dem betörenden Liebesrausch wie den elegisch melancholischen Momenten mit überreicher melodischer Inspiration und orchestralem Raffinement glanzvoll auferstehen.
Bonus: Alla Demidova liest aus Pushkins „Eugen Onegin“ alternierend mit gesungenen Szenen aus Tchaikovskys gleichnamiger Oper mit Maria Gavrilova, Irina Chistiakova, Sergej Murzayev, Albert Shagidullin und Vitaly Tarashchenko. Es handelt sich um einen Live-Mitschnitt vom 24. Mai 1999 aus der Großen Halle des Moskauer Konservatoriums aus Anlass des 200. Geburtstages des Dichters.
Dr. Ingobert Waltenberger