Rachmaninow im besten Klang – Macelaru und das WDR Sinfonieorchester begeistern
Die vorliegende CD-Veröffentlichung unter der Leitung von Cristian Macelaru mit dem WDR Sinfonieorchester auf dem Label LINN entführt den Hörer in die Welt von Sergei Rachmaninow und seine eindrucksvolle Orchesterkunst. Macelaru interpretiert Rachmaninows Werke mit einer einzigartigen Mischung aus dramatischer Intensität und genauer Struktur. Die CDs umfassen die drei Sinfonien des Komponisten sowie die beiden Tondichtungen „Capriccio bohémien“ Op. 12 und „Die Toteninsel“ Op. 29.
Sergei Rachmaninow gilt als einer der letzten großen Romantiker, und seine Orchesterwerke sind ein Paradebeispiel für musikalische Expressivität und emotionale Tiefe. Jedes Werk auf dieser Aufnahme beleuchtet eine andere Facette seines Schaffens.
Die erste Sinfonie, die 1895 uraufgeführt wurde, erlebte aufgrund einer misslungenen Premiere, die in einem öffentlichen Skandal endete, eine lange Zeit der Vernachlässigung. In den letzten Jahrzehnten hat das Werk jedoch wieder an Aufmerksamkeit gewonnen und zeigt Rachmaninows frühe Meisterschaft im Umgang mit Orchestrierung und dramatischer Spannung. Die Komposition ist von einem fast dante’schen, düsteren Charakter geprägt, was Macelaru meisterhaft in den weiten Bögen und den subtilen Akzenten der einzelnen Sätze aufnimmt. Besonders beeindruckend ist der erste Satz, der mit seiner düsteren, leidenschaftlichen Melodie die Bühne für die gesamte Sinfonie bereitet.
Macelaru lässt das Orchester hier förmlich erblühen, wobei der dynamische Wechsel zwischen den dunklen und helleren Momenten zu einer fesselnden Interpretation führt. Die WDR-Musiker spielen mit einer großen Flexibilität, die dem Werk sowohl Innerlichkeit als auch Aufschwung verleiht.
Die zweite Sinfonie, die 1907 uraufgeführt wurde, ist eines der beliebtesten Werke Rachmaninows und ein Paradebeispiel für seinen reichen melodischen Ausdruck. Im Vergleich zur ersten Sinfonie ist sie weniger von dunklen, sondern von träumerischen und erhebenden Motiven geprägt. Macelaru lässt in dieser Sinfonie Raum für die gesanglichen Qualitäten des Orchesters und fordert das Ensemble zu ausdrucksstarken Phrasierungen auf.
Besonders der langsame Satz mit dem hier herrlichen Solo der Klarinette, der für seine tiefe Emotionalität berühmt ist, wird mit einer besonders nuancierten Agogik gestaltet. Das Orchester folgt Macelarus Führung bestens und lässt die Melodie in weiten Bögen fließen, wobei der ruhige Moment als ein Hort von Intimität und Zartheit erstrahlt. Hier zeigt sich die Fähigkeit des WDR Sinfonieorchesters, die kantablen Elemente der Musik mit subtilem Klang und tollem Timing zu artikulieren. Kein überzuckerter Rachmaninow, sondern hell und klar aufgefächert, erfrischend anders.
Die dritte Sinfonie, die 1936 uraufgeführt wurde, ist ein Meisterwerk von enormer technischer Raffinesse und emotionaler Komplexität. Sie weist eine größere Strukturklarheit auf als ihre Vorgänger und bietet viele Momente der Virtuosität, besonders im zweiten Satz, der sowohl heitere als auch düstere Elemente vereint. Die Musik ist weniger von den ausladenden Melodien der zweiten Sinfonie geprägt, sondern setzt stärker auf rhythmische Komplexität und eine raffinierte Orchestrierung.
Macelaru bringt die unterschiedlichen Facetten dieses Werkes ausgezeichnet zur Geltung. Die Phrasierungen in den schnelleren Sätzen sind fließend und präzise, während der dritte Satz, mit seiner zarten Introspektion, in den Händen des Dirigenten zu einem ergreifenden Höhepunkt wird.
Die beiden Tondichtungen sind besonders eindrucksvolle Beispiele für Rachmaninows frühe Bemühungen, mit Orchesterfarben und dramatischen Kontrasten zu spielen. Das selten zu hörende „Capriccio bohémien“ Op. 12, eine brillante, folkloristisch angehauchte Komposition, lebt von ihrer freudigen, beinahe übermütigen Energie. Das Orchester entfaltet hier eine beeindruckende Farbpalette und spielt mit einer spürbaren Freude, die den gesamten Satz durchzieht.
Im Gegensatz dazu stellt „Die Toteninsel“ Op. 29 ein düsteres, beinahe surreal anmutendes Werk dar, das von der mystischen Atmosphäre einer Insel der Toten inspiriert ist. Die Musik ist von einer geheimnisvollen Schwere geprägt, und Macelaru gelingt es, den düsteren Charakter der Musik mit einem fast filmischen Erzählen zu vermitteln. Das Orchester spielt mit enormer Präzision und lässt den klanglichen Raum, der hier aufgebaut wird, so richtig aufleben.
Cristian Macelaru gelingt es, diese abwechslungsreichen Werke durch seine beeindruckende Fähigkeit zur Gestaltung von lang angelegten Bögen und seiner fein abgestimmten Agogik lebendig zu machen. Besonders hervorzuheben ist sein emotionaler Zugang, der nie ins Theatralische abrutscht, sondern stets die Ernsthaftigkeit der Musik bewahrt.
Das WDR Sinfonieorchester zeigt sich in glänzender Form, wobei besonders das Schlagzeug hervortritt. Die Musiker liefern eine präzise und dynamisch differenzierte Leistung, die nicht nur in den wilden Ausbrüchen der Sinfonien glänzt, sondern auch in den feineren Passagen der Tondichtungen ihre Klasse beweist. Die Orchesterklänge sind detailreich und gut abgestimmt, was besonders in den komplexen Passagen der dritten Sinfonie und in den rhythmischen Entwicklungen der „Toteninsel“ spürbar wird.
Mit dieser Aufnahme bietet Cristian Macelaru zusammen mit dem WDR Sinfonieorchester eine herausragende Interpretation von Rachmaninows Orchesterwerken. Durch die sorgfältige Gestaltung der verschiedenen Werke – von der düsteren ersten Sinfonie bis hin zu den virtuosen und emotional aufgeladenen Momenten der dritten – entsteht eine packende, facettenreiche Darbietung, die sowohl für eingefleischte Rachmaninow-Liebhaber als auch für Neulinge im Werk des Komponisten ein faszinierendes Hörerlebnis bietet.
Die Aufnahme ist nicht nur in Bezug auf die künstlerische Leistung, sondern auch durch die klangliche Gestaltung ein Genuss. Die dynamische Breite und die hervorragende Orchestersprache des WDR Sinfonieorchesters machen diese CD zu einem echten Hörerlebnis. Ein Werk, das Rachmaninows Musik in seiner ganzen Schönheit und Komplexität zeigt und mit der Zeit einen immer intensiveren Eindruck hinterlässt.
Dirk Schauß, im Februar 2025
Sergei Rachmaninow
Orchestral Works
WDR Sinfonieorchester
Cristian Macelaru, musikalische Leitung
LINN, CKD778