CD „OPERA IN MUSICA“ – CARLO MONZA Streichquartette mit FABIO BIONDI und EUROPA GALANTE; naive
Weltersteinspielungen
Veröffentlichung: 29.4.2022
Carlo Monza, Komponist, Kapellmeister und Sänger, war ein Mailänder Zeitgenosse Mozarts. Fabio Biondi befasste sich im Rahmen seiner Nachforschungen für die Mailänder Zeit des jungen Mozart intensiv mit den am herzoglichen Hof tätigen Musikern: Damals bestimmten Giovanni Battista Sammartini, Giovanni Battista Lampugnani und Carlo Monza das musikalische Geschehen und die Opernprogramme des Theaters am Mailänder Hof. Mozart war mit Bestimmtheit in Kontakt mit ihnen, alleine schon, um in die höfische Gesellschaft eingeführt zu werden. Monza und Mozart also – ob sie Freunde oder Rivalen waren, weiß keiner, sagt Biondi – bilden den Ausgangspunkt einer Erkundungsreise, die Biondi in eine private Bibliothek am Lago Maggiore führte.
Dort entdeckte er ein Manuskript mit sechs Streichquartetten von Carlo Monza, ganz im galanten Stil des Spätbarocks gehalten. Fabio Biondi staunte über die originellen Programmmusiken, zwar typisch für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, die in ihrer Eigenart und der Nähe zur Oper dennoch einzigartig schienen. Das große Problem war nur, dass die Bibliothek auf der Isola Bella weder die Nutzung noch das Abfotografieren der Noten erlaubte. Zum Glück fand sich alsbald eine Kopie der Quartette in der Bibliothèque National de la France. Im Juli 2019 war es schließlich so weit. Die Quartette konnten in der Sala Ghislieri Accademia Montis Regalis eingespielt werden.
Die so sprechenden wie poetischen Titel der Quartette lauten: „Gli amanti rivali“, das Quartett in D-Dur „Opera in musica“ als Namensgeber der CD, „La fucina di volcano“, „Il giucatore“, „divertimento notturno“ und „La caccia“. Abseits davon sind von Monzas mehr als 20 Opern überliefert, wenngleich nie aufgeführt, während ein Großteil seiner geistlichen Musik als verschollen gilt. Mehr als 200 Werke sind in den Archiven des Mailänder Doms gelagert, darunter Sinfonien, Ouvertüren, Kammermusikwerken und Musik für Tasteninstrumente. Vielleicht ist auch interessant zu erwähnen, dass Igor Stravinsky Themen des Carlo Monza für seine Suite-Pulcinella entlehnte.
Das stilistisch so Besondere an den vom Melodienreichtum und Rhythmik unverwechselbar in Mailänder Manier gehaltenen Stücken ist, dass sie – wie sonst nur in der Vokalmusik üblich – rezitativische Abschnitte enthalten, die stets von der ersten oder der zweiten Geige bzw. der Bratsche gespielt werden. Auf jeden Fall entsteht der Eindruck, als wäre der Musik ein unsichtbarer Text unterlegt.
Fabio Biondi, einer der aktuell besten Geiger Alter Musik in Italien und Dirigent des historisch informierten Ensembles Europa Galante, hat Monzas charmante wie energiegeladene Eingebungen für vier Streichinstrumente mit drei Musikern (Andrea Rognoni 2. Violine, Stefano Marcocchi Bratsche und Alessandro Andriani Cello) mit hörbarer Freude am Fabulieren und an bunt hingepinselter Lautmalerei realisiert. Die Quartette wollen nicht mehr sein als sie sind, nämlich Unterhaltungsmusik zur puren Freude und als Ablenkung der Zuhörer vom Alltag gedacht. Dennoch bieten sie einen Reichtum an harmonisch überraschenden und rhythmisch akzentuierten Inventionen, die das Hören zu einer freudvollen Sache werden lassen. Die ausführenden Musiker setzen sich für diese an sich einfach gestrickte und dennoch in Details so raffinierte Musik mit einer Verve ein, als gäbe es kein Morgen mehr. Ausdrücklichen Dank dafür!
Dr. Ingobert Waltenberger