CD NUITS HONGROISES – TRIO ARNOLD mit Musik für Streichtrio von Lajtha, Kodály und Dohnányi; Mirare
„Das Herz von Engeln zum Lächeln bringen.“ Kodály über Dóhnányis „Serenade“
Budapest zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Hauptstadt des Königreichs Ungarn und die zweitgrößte Stadt der Monarchie befindet sich in rasantem Aufschwung. In der Kunst geht man im Vergleich zu Wien, nicht nur was die musikalische Avantgarde anlangt, eigene Wege. Die ungarische Moderne orientiert sich nämlich eher an Paris als an Wien. Debussy und Ravel werden mit ihren raffiniert-impressionistischen, klangfarblich exotischen Texturen neben der Integration der ungarischen Folklore in die neue ungarische Musik bestimmende Inspirationsquellen für Komponisten.
Das Trio Arnold mit Shuichi Okada (Violine), Manuel Vioque-Judde (Viola) und Bumjun Kim (Cello) fand 2018 zueinander. Sie trafen sich an der Seiji Ozawa International Academy Switzerland. Das Trio ist für seinen homogenen Klang, die beredte Expressivität des Spiels, das musikantische Temperament, die subtile Stimmungsmalerei bei akkuratem Strich und seine Entdeckerfreude bekannt.
So bezieht auch das vorliegende Album einen nicht geringen Anteil der Attraktivität aus der Wiederentdeckung des Béla Bartók Schülers und Freunds László Lajtha. Seine „Transsilvanischen Nächte“ in vier „Skizzen“, Op. 41, stehen thematisch explizit im Zeichen von Nachtstimmungen in den vier Jahreszeiten. Mit seinem Lehrer und Mentor teilte Lajtha die Leidenschaft für musikethnologische Forschungen und für Französisches.
Transsilvanien (=Siebenbürgen) fiel nach dem Ersten Weltkrieg auf Basis des Vertrags von Trianon (1920) an Rumänien. Zwischen 1940 und 1944 war die Region zwischen Rumänien und Ungarn geteilt Lajtha schrieb sein mit ca. 35 Minuten Spieldauer groß angelegtes kammermusikalisches Werk 1944. Inwieweit politische Umstände und die daraus folgenden Migrationsbewegungen für die Entstehung ursächlich waren, ist aus der Musik nicht herauszuhören.
Dafür sind die vier transsilvanischen „Landschaftsskizzen“ vom Komponisten mit „Frühlingsnacht – Frühmond über Alpenwiesen“, „Sommernacht – Melancholie des Unendlichen“, „Herbstabend – Phantome und kahle Bäume“ bzw. mit „Winterabend – Schlittenfahrt im Nebel“ programmatisch klar umrissen. Diese unendlich schöne Musik, die sich lautmalerisch auf das raffinierteste von mysteriös zu lyrisch ausgelassen, meditativ traumverhangen, gespenstisch bis zu tänzerisch „appassionato“ transformiert, kristallisiert sich zu plastischen Seelenlandschaften und ist definitiv jede Entdeckung und Aufführung wert.
Ein kurzes, ungewöhnlich romantisches Intermezzo für Streichtrio von Zoltán Kodály aus dem Jahr 1905 leitet zum zweiten Hauptwerk des Albums, der Serenade für Streichtrio, Op. 10 von Ernst von Dohnányi über. Mit 25 Jahren hat der junge Komponist diese zauberhafte Serenade (1902/03) geschrieben. Marcia, Romanza, Scherzo, Tema con variazioni und finales Rondo, das auf das Presto all’ungarese des Trios Nr. 39 Hob XV/25 von Joseph Haydn Bezug nimmt, bilden die fünf Sätze. Voller geheimnisvoller Gedanken flüstern die balladesken Kantilenen, Dohnanyi zeigt im Scherzo aber auch, was er kontrapunktisch draufhat. Kodály hatte ein ganzes Bündel an Zuschreibungen für dieses Stück parat: Magnifique, an manchen Stellen schrecklich schmerzhaft, ein wenig dekadent, sehr modern, bisweilen solide und trocken, manchmal spitzig, … „jedenfalls ganz nach meinem Geschmack.“
Das Trio Arnold nimmt sich dieser rar aufgeführten ungarischen Nachtmusiken mit einer technischen Meisterschaft und Passion sondergleichen, einem untrüglichen Gespür für das romantische Erschauern und die morbiden Klangschattenfantasien der Dämmerung an, in der gelblich funkende Lichter einen umso stärkeren Kontrast bilden. László Lajtha, dessen neun Sinfonien, eingespielt vom Pecs Symphony Orchestra unter Nicolas Pasquet, bei Naxos erschienen sind, gilt es, falls nicht schon geschehen, kennenzulernen. Das Trio Arnold bereichert den schmalen Katalog mit dieser im Vergleich zur verdienstvollen Einspielung aller drei Streichtrios durch das Flash Ensemble artikulatorisch noch geschärften und kontrastreicheren Neuinterpretation auf das genießerische Beste. Empfehlung!
Kostprobe? Hören und sehen Sie: L. Lajtha – Transylvian Nights, Op. 41, Winter night
https://www.youtube.com/watch?v=PDRTppCcDzo
Dr. Ingobert Waltenberger