CD NIKOS SKALKOTTAS: Neoklassische Werke für Orchester; Weltersteinspielungen; NAXOS
Griechischer Gershwin, Weill und Stravinsky zugleich flaniert durch die Berliner 20-er Jahre
Klassik aus Griechenland, war da was? Das Label Naxos legt in ihrer langjährig neugierigen und großformatigen Erkundungstour durch musikalische Welten einen kleinen, aber feinen Zwischenstopp in Athen ein. Dort wirkte der 1904 geborene Nikos Skalkottas die letzten Jahre als zweiter Geiger im Athener Staatsorchester bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1949.
Die künstlerisch wohl wichtigste „Zwischenstation“ von Skalkottas war Berlin, wo er ab 1921 über 12 Jahre lang blieb. Das Berliner Leben begann mit zwei Jahren Meisterklasse beim Geiger Willy Hess, viel prägender aber waren die großen Vorbilder Kurt Weill und Philipp Jarnach, die ihn auch unterrichteten. Arnold Schönberg war ab 1927 Skalkottas Lehrer an der Preußischen Akademie der Künste. Mentor Schönberg sorgte zudem dafür, dass die Werke seines Schützlings Skalkottas regelmäßig in Berlin in Konzerten aufgeführt wurden. Geld hatte Nikos kaum, nicht selten traf man ihn daher in Berlin als Pianisten oder Violinist für Unterhaltungsmusik, in Kaffeehäusern und Stummfilmkinos. Viele seiner Werke gingen verloren oder wurden kaum je aufgeführt. Erst in den letzten Jahren wird damit begonnen, das Versäumte nachzuholen bzw. aufzuarbeiten.
Dass Skalkottas ein stilistisch höchst eigenständiger und vergnüglich anzuhörender Komponist war, davon zeugt das soeben erschienene Album des Athener Staatsorchesters unter der musikalischen Leitung von Stefanos Tsialis.
Alle auf der CD vorgestellten Werke stammen aus der Spätphase des Komponisten von 1947-1949: Die „Sinfonietta“ in b-Moll, die „Klassische Symphonie für Blasorchester, zwei Harfen und Kontrabass“, die „Four Images“ für Orchester und als kleines i-Tüpfelchen zum Abschluss ein alter griechischer Marsch für Kammerorchester. Ich finde, dass die Bezeichnung Neoklassik für Skalkottas Musik biographisch sowie von Struktur und Klang der hier zu hörenden Werke her zu kurz greift. Seine besonders interessante „Sinfonietta“ (die Uraufführung fand erst 2005 in Athen statt) eint Rhapsodisches und Salonorchestereleganz mit kraftvollen Rhythmen in einem genuin griechischen Klangidiom. Es ist eine die Geräusche und die Nonchalance einer Stadt absorbierende Musik, und zudem in ihrer Lebendigkeit und bunt quirligen Klanglichkeit sehr kurzweilig.
Vor allem bei der expressionistischer und moderner angelegten Symphonie für Blasorchester kann sich der Hörer durchaus imaginieren, wie das Berlin der 20-er Jahre seine ganz eigentümlichen Spuren hinterlassen hat. Die „Vier Bilder“ hingegen huldigen der griechischen Tanzmusik in ihrer ruralen Bodenständigkeit.
Orchester und Dirigent stürzen sich voller Elan in die ehren- und reizvolle Aufgabe, die wunderbare Musik ihres Landsmanns zu rehabilitieren bzw. überhaupt erst vorzustellen. Eine wichtige CD, eine ganz große Empfehlung!
Hinweis: Mittlerweilen stellt die Skalkotta-Diskographie insgesamt und insbesondere beim Label BIS schon einen ordentlich repräsentativen Querschnitt des Schaffens dieses spannenden Komponisten dar. Die Weltersteinspielungen des Albums bieten dazu eine willkommene Bereicherung.
Dr. Ingobert Waltenberger