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CD NICOLÒ PAGANINI 24 CAPRICES für Violine solo – MARIA DUENAS in grandioser Geberlaune; Deutsche Grammophon

11.02.2025 | cd

CD NICOLÒ PAGANINI 24 CAPRICES für Violine solo – MARIA DUENAS in grandioser Geberlaune; Deutsche Grammophon

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Höllisch gut: Capricen von Paganini, Sarasate, Cervelló, Wieniawski, Ortiz, Saint-Saëns und Berlioz für Violine solo, 2 Violinen, Violine und Klavier sowie Violine und Orchester

„Die Caprice Nr. 13 klingt ein wenig wie ein teuflisches Lachen. Wenn ich sie spiele, muss ich immer an die Geschichte denken, dass sich Paganini angeblich dem Teufel verschrieben hatte…“ Maria Duenas

Im Französischen steht „caprice“ je nach Kontext für eine Laune, eine extravagante Eigenwilligkeit, eine Liebschaft, einen Spleen, aber auch einen Wutanfall. In der Musik geht es dazu/eher um Freiheiten, (irr)witzige Farbschlachten, rhapsodische Spintisierereien, vielleicht das sich improvisatorische Tummeln in Grenzbereichen oder fantastisch-spontane Transgressionen.

Paganini begann die Komposition der launigen Violinkarateprüfungen für den zehnten Dan mit 21 Jahren und stellte sie in insgesamt drei Etappen bis zum Jahr 1817, also bis zur letzten in a-Moll mit der Nr. 24, fertig (Tema, quasi Presto, Variazioni, Finale). Als 38-Jähriger ließ er sie geschlossen als Op. 1 editieren. Die Widmung „Dedicati agli artisti“ sagt uns, dass Paganini nicht bloß Übungsstücke schreiben wollte, auch wenn sich mit diesen herausfordernden geigenakrobatischen Zirkusstücken nicht nur die linke Hand, sondern auch der „Bogenarm“ mit Ricochet, Staccato oder Spiccato vortrefflich trainieren lässt. Thomas Zehetmair hat zu Recht bemerkt, dass zudem jedes Stück jeweils einen „Charakteraspekt“ behandelt.  

Ran wie Blücher: Die in Wien lebende spanische Geigerin Maria Duenas will mit ihrer Interpretation zeigen, dass die „Caprices“ weit über bloße Etüden hinausgehen. Neben der schieren Wildheit und explosiven Pyrotechnik lässt sie so der Musik eine gewisse bekanteske Sanglichkeit angedeihen. An die 50 Gesamtaufnahmen sind belegt. Diejenige von Maria Duenas imponiert mit vollem, wo nötig, schrägem Ton, einer unbändigen Artikulationsfreude und jener Exzentrik, die die einzigartigen Couleurs in aller Deutlichkeit profilieren.

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Ob Arpeggien, Saitenüberkreuzungen, (Oktav)Triller, Tremoli, verschliffene Skalen, undeutlichen Staccati, Doppel-, Dreifach- und Vierfachgriffe, Imitationen, Zweiunddreißigstel-Läufe etc., Duenas lässt diese untereinander oft mehrfach verschlungenen Geigen-Rodeo-Gewagtheiten mit nonchalanter Elegance und unbekümmerter Entfesselung Revue passieren.

Wie bei kaum einem anderen Solo-Instrument ist für die Geige die Aufnahmetechnik gefordert, wenn es um die Erfassung subtiler klanglicher Volten geht. Und auch hier überzeugt das Album auf ganzer Linie. Duenas schöpft aus ihrer Instrumenten-Schatzkiste (Stradivarius Camposelice 1710 und Nicolò Gagliano 1724) zu der vollkommenen Meisterschaft der Technik jede Menge an beredter Expressivität, an erzählerischer Anschaulichkeit heraus, dass man meinen könnte, sich in schaurig-schönen, surrealen klangliterarischen Erzählungen ohne Worte wiederzufinden.   

Die zwei Tonträger mit insgesamt 160 Minuten Musik bieten außer Paganini noch etliche von Paganini inspirierte Solo-, Kammermusik- und Orchester-Capricen. So die Caprice basque Op. 24 von Pablo de Sarasate (Klavier Itamar Golan), die Étude- Caprice in Es-Dur, Op. 18/2 von Henryk Wieniawaski (mit ihrem Lehrer Boris Kuschnir als Geigenpartner), die Milstein-Caprice von Jordi Cervelló, und als Weltersteinspielung „De cuerda y madera“ von Gabriela Ortiz (Alexander Malofeev Klavier).

Drei Werke für Violine und Orchester (Berlioz: Rêverie & Caprice; Saint-Saëns: Caprice andalous, Op. 122, Introduction & Rondo capriccioso, Op. 28) ergänzen das umfassende, Paganini weiterdenkende Programm. Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter dem Dirigenten Mihhail Gerts ist Duenas ein verlässlicher wie temperamentvoller Begleiter.

Maria Duenas‘ singuläre Interpretation der Paganini-Caprices (ergänzt um die in der künstlerischen Nachfolge entstandenen Werke) steht nun in einer stolzen Reihe auf Augenhöhe mit außergewöhnlichen Pionierleistungen, wie wir sie von Salvatore Accardo, Nathan Milstein (berühmt geworden ist seine Paganiniana – Variationen über Caprice Op. 1) oder Itzhak Perlman kennen. Anhören und genießen!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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