CD: NICOLA PORPORA: CHRISTMAS ORATORIO („IL VERBO IN CARNE“) – Kammerorchester Basel / Riccardo Minasi – SONY Classical
6.12. 2018 – Karl Masek
Für Barockmusik-Freunde, die nicht nur auf ausgetretenen Repertoire-Pfaden wandeln möchten, ist am 16.11. 2018 – gerade rechtzeitig vor Weihnachten – eine Referenzaufnahme herausgekommen: Das Weihnachtsoratorium IL VERBO IN CARNE („Das Fleisch gewordene Wort“) von Nicola Porpora (1686-1768). Eine schöne, gleichermaßen spannende wie kontemplative Wiedergabe dieses Oratoriums aus dem Jahr 1747. Entstanden ist die Live-Aufnahme am 5.12. 2016 in der Laeiszhalle Hamburg.
Im ersten Teil des Oratoriums diskutieren Frieden („Pace“) und Gerechtigkeit („Giustizia“) über das Schicksal des Menschengeschlechtes. Sie erinnern an messianische Prophezeiungen (verwenden dabei aber keine Bibelzitate, wie beispielsweise in den Kantaten von Bachs Weihnachtsoratorium), dann beschließen die beiden Tugenden auf die Erde zu kommen, um das menschliche Schicksal zu verbessern. Die Wahrheit („Verità“) erscheint und erzählt von Jesu Geburt, und sie eilen nach Bethlehem, um dem Kind zu huldigen. Dort reflektieren sie über dieses Mysterium der Geburt Christi und die positiven Auswirkungen, die sie auf das Schicksal der Menschheit haben wird …
Nicola Porpora kleidet das Geschehen in bildhafte, poetische Musik. Ständig auf der Suche nach neuen, originellen Zusammensetzungen, hat die musikalische Umsetzung eine reiche Farbpalette und originelle Instrumentationskunst anzubieten, was das inspirierte Libretto von Giovanni Giuseppe Giron besonders vorteilhaft zur Geltung kommen lässt.
Ricardo Minasi. Copyright: Marco Borggreve
Riccardo Minasi (als Nachfolger von Ivor Bolton seit Beginn der Spielzeit 2017/18 Chefdirigent des Mozarteumorchesters Salzburg) gibt als dirigierender Konzertmeister des Kammerorchesters Basel eine musikalische Visitenkarte vom Feinsten ab. Die 20 Musiker/innen dieser Aufnahme (Streichorchester, Flöte, Fagott, Hörner, Orgel/Cembalo, Theorbe und das solistisch eingesetzte Psalterium) erfreuen mit samtigem Wohlklang, Homogenität und ästhetischer Frische. Etwas ruppigere Akzente kommen von den lustvoll schmetternden Hörnern.
Terry Wey. Copyright: Paris Mexis
Exquisit die Sängerbesetzung. Etliche Höhepunkte setztder Countertenor Terry Wey („Pace“) mit bewegendem Ausdruck, superber Legatokultur, müheloser Leichtigkeit der Koloraturen und einer Natürlichkeit der Tongebung, die ihresgleichen sucht. Wie er etwa die „kurzatmigen“ Seufzer des weinenden Neugeborenen in der Arie „Sentirqueiteneri“ („Diese zarten süßen Klagen zu hören…“) imaginiert: Eine Meisterleistung an musikalischem Zauber und sängerischem Instinkt, der bis in die subtilsten Stimmungswechsel hinein feinste Seelenregungen auslotet.
Roberta Invernizzi Copyright: Ribaltaluce-Studio
Roberto Invernizzi lieh der „Giustizia“ ihre glockenhelle Sopranstimme voll Silberglanz und unfehlbarer Intonation, was beispielsweise das Duetto„Lascia, ch’iovedaalmeno“ mit Terry Wey zu einem weiteren Kleinod dieser Aufnahme macht.
In etwas kleiner gehaltenen Aufgaben ergänzen der aufstrebende schwedische Tenor Martin Vanbergals „Verità“ sowie der Schweizer Bass Marc-Olivier Oetterli tadellos.
Eine auch aufnahmetechnisch hervorragende gelungene CD, so richtig geeignet, um in der oft genug allzu hektisch gewordenen Vorweihnachtszeit „herunter zu kommen“ und für etwas mehr als eine Stunde einzutauchen in die Klangwelt des Neapolitaners Porporas und „die Zeit zu vergessen“.
Karl Masek