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CD NEI GIARDINI D’AMORE – Liebes-Genießerisches von Monteverdi, Caldara, Bononcini, Vivaldi, Steffani und Händel für eine und zwei Altstimmen; harmonia mundi

08.06.2025 | cd

CD NEI GIARDINI D’AMORE – Liebes-Genießerisches von Monteverdi, Caldara, Bononcini, Vivaldi, Steffani und Händel für eine und zwei Altstimmen; harmonia mundi

CARLO VISTOLI und HUGH CUTTING mit Les Arts Florissants unter WILLIAM CHRISTIE

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Nach der Veröffentlichung des großartigen Oratoriums „Gioseffo, che interpreta i sogni“ bei Glossa steht in diesen „Liebesgärten“ wieder ein exquisites Werk von Antonio Caldara im Zentrum des Interesses. Und zwar die Kantate „Medea in Corinto“, die der Komponist wahrscheinlich für seine Gattin, die Sängerin Caterina Petrolli, geschrieben hatte. Auf eine Sinfonia folgen abwechselnd drei Rezitative und drei da capo Arien. Klage, Auflehnung und Rachefuror durchlebt die von Jason abgelegte Geliebte und Mutter seiner Kinder. Der italienische Countertenor Carlo Vistoli darf in die Rolle der Zauberin aus Kolchis schlüpfen und sich in Reminiszenzen über die Zeit der ersten Liebe ergehen, die „Sprachlosigkeit“ und Heiratspläne des treulosen Verräters Jasons mit der korinthischen Königstochter Glauce beklagen, und in der letzten Arie ‚Á far le mie vendette, venite orrende furie‘ den blutigen Schaum des dreiköpfigen Hundes und die Monster der Unterwelt beschwören. Caldara kommt mit einer kleinen Streicherbesetzung (4 Violinen, Viola und Cello), ergänzt durch ein vom Dirigenten William Christie gespieltes Continuo (=Cembalo) aus, um diese Geschichte, affektgeladen primär durch die schmerzensreiche bis dramatisch modellierten Gesangslinien, in all ihren emotionalen Verästelungen zu erzählen.

In weiteren Programmpunkten von Claudio Monteverdi über Agostino Steffani, G.F. Händel und Antonio Vivaldi (ausgenommen die Cantata „Cessate, omai cessate“, die solistisch dem britischen, auf diesem Album von mir präferierten, bronzefarben kräftigen Countertenor Hugh Cutting anvertraut ist) darf man sich an melodisch reizvollen, liebesschmerzlichen bis -wonniglichen Duetten erfreuen.

Besonders erwähnenswert ist „Sempre piango“ Op. 8, Nr. 7, eine in den Arien wechselwetterleuchtende, ironisch-superbe Tonsetzung über vergehende Liebe und den Vorwurf von Hartherzigkeit seitens des Verlassenen von Giovanni Bononcini. Es startet mit einem Duett und endet mit einem solchen wehmütigen und schönsten mir bekannten der italienischen Barockliteratur (‚Sono questi del cor gl’ultimi fiati‘).

Um verworrene Liebesdinge geht es auch in Vivaldis „Cessate, omai Cessate“. Da klagt unser verschmähter Held lauthals die böse herzlose Dorilla an. Mutig dürfte dieser tränenreiche Jüngling nicht gewesen sein, denn er droht trotzig, sich an den finsteren Ufern des Acheron dramatisch zu töten, um sich dann als zorniger Schatten aus dem Jenseits an der Unerbittlichen zu rächen. Klar, dass Vivaldi hier musikalisch seine markant erkennbare Sprache spricht und den von einer tyrannischen Liebe Geplagten koloraturreich und nicht wenig wütend seine eitle Seele lüften lässt. Hugh Cutting wirft in den beiden Arien seinen saftig timbrierten Alt vollgewichtig in die Waagschale.  

Zur atmosphärischen Anreicherung ist zwischendurch elegisch Kammermusikalisches aus der Feder von Giovanni Battista Fontana (Sonata settima a doi violini), von Händel (Andante aus der Triosonate in c-Moll) und Antonio Caldaras voltenfigurale Giacona in B-Dur zu hören.

Die Musiker von Les Arts Florissants unter der künstlerischen Leitung von William Christie finden in diesem im Juli 2023 aufgenommenen Album zu delikaten Tonabmischungen, stets den feinen kammermusikalischen Duktus der Musik facettenreich auslotend. William Christie ist einer der raren Musiker der historisch informierten Szene, die Barockmusik nicht in erster Linie als Fest der Akzentuierung und dynamischen Grenzerfahrungen empfinden, sondern lieber die schillernden Farbenspiele und den organischen Fluss der Musik federnd auskosten wollen.

Das kommt besonders dem flotten, dreiteiligen Duett von Händel „Caro autor di mia doglia‘ zugute, in dem sich das hehre Liebespaar offenbar in einem berauschenden, vokal schnörkeligen Versöhnungsritual der gegenseitigen Treue versichert. Ebenso herzergreifend harmonisch geht es in Vivaldis ‚In braccio de’contenti‘ zu. Der Text eines anonymen Autors könnte als Motto des Albums selbst stehen. „Umfangen von Wohlgefühl, genießt jede Seele voller Glück Ihre süßeste Freude.“

  • Antonio Caldara: „Medea in Corinto“; Ciaccona B-Dur aus der Sonate Op. 2 Nr. 12
  • Antonio Vivaldi: Kantate „Cessate, omai cessate“, RV 684 sowie ‚In braccio de‘ contenti‘ aus „Gloria e Himeneo“, RV 687
  • Georg Friedrich Händel: „Caro autor di mia doglia“, HWV 182b; Andante aus der Triosonate c-moll HWV 386a
  • Giovanni Battista Bononcini: „Sempre piango“ aus den Duetti da camera, Op. 8, Nr. 7
  • Claudio Monteverdi: ‚Damigella tutta bella‘ aus „Scherzi musicali“
  • Agostino Steffani: Aita, Fortuna aus „La lotta d’Ercole con Acheloo“
  • Giovanni Battista Fontana: Sonata settima für 2 Violinen

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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