CD NADINE SIERRA & PRETTY YENDE IN CONCERT – Arien und Duette aus Don Pasquale, Elisabetta, regina d’Inghilterra, La Sonnambula, La Traviata, Norma; Lakmé; Romeo et Juliette, Les contes d’Hoffmann, West Side Story und The Enchanteress; Deutsche Grammophon
Konzertmitschnitt aus der Grande Salle der Pariser Philharmonie vom März 2023 – Im Konditorladen feinster Sopranpatisserie!
Veröffentlichung: 12.7.2024
Nadine Sierra und Pretty Yende, zwei lyrische Koloratursoprane im Karrierezenit, geben sich hier ein großteils belkanteskes Stelldichein.
Die US-Amerikanerin Nadine Sierra mit der üppigeren, dramatischeren Stimme von beiden, entwickelt sich auf der Bühne von den Koloraturgirls der Gilda, Julia und Lucia ins eher Lyrische einer Susanne, Sophie oder Musetta. Ihr erstes reines Opernalbum „Made for Opera“ mit Ausschnitten aus Verdis „La Traviata“, Donizettis „Lucia di Lammermoor“ und Gounods „Romeo et Juliette“ für das Gelblabel hat sie Teresa Stratas, Renata Scotto, sowie ihrer Mentorin Marilyn Horne gewidmet. Ihr Motto „eine Heldin für junge Mädchen und Frauen zu sein, die danach streben, stark und mächtig zu sein.“ darf als eine Hommage an ihre portugiesische Großmutter, der eine professionelle Karriere als Sängerin verwehrt war, gelten. Ihr dunkles cremiges Timbre, ihr Legato und sichere Verzierungstechnik, die glockenreine Höhe und temperamentvolle Interpretationen machen sie im Belkantofach zu einer ersten Wahl in den Besetzungsbüros der großen Häuser.
Die Südafrikanerin Pretty Yende hat die leichtere Stimme, eine stratosphärische Höhe, gestochen klare Koloraturen und das Timbre schillert in exquisiten Farben. Pretty Yende geht an die schwierigen Rollen ihres Fachs mit vollem Risiko (präsentiert schon mal ihre eigenen Kadenzen am Schluss der Wahnsinnsarie der Lucia) und expressiver Intensität heran. Auch sie hält eine Botschaft aus der und an die Opernwelt bereit: „Wagt und gewinnt!“ Sängerinnen und Sänger jeglicher Hautfarbe sollen sich angesprochen fühlen. Soeben hat sie erfolgreich am Teatro San Carlo in der Titelpartie von Donizettis „Maria Stuarda“ debütiert, im Herbst wird sie an der New Yorker MET Antonia und Stella an der Seite von Benjamin Bernheim als Hoffmann in Offenbachs „Les contes d‘Hoffmann“ sein.
Ganz und gar nicht will ich mich der Meinung des geschätzten Senior Manager Artist Promotion bei Universal Music Group, Andreas Kluge, anschließen, dass mit dem Zusammentreffen der beiden Sängerinnen so etwas eine Renaissance der Primadonnen eingeläutet wird (die Vergleiche mit Sutherland/Caballé/Horne, Bumbry/Verrett, Scotto/Freni hinken), weil Sänger heute ein völlig anderes Selbstverständnis haben als anno dazumal. Als „monstrés sacrés“, wie diese Primadonnen bisweilen uncharmant, manchmal auch zutreffend (selbst ein heiliges Monster bleibt noch immer ein Monster), bezeichnet wurden, sehe ich die beiden Sopranistinnen nicht. IdZ werde ich nie das Plakat der Gala anlässlich der Eröffnung der UNO-City Wien an der Wiener Staatsoper vom 1.9.1979 vergessen, auf dem die Caballé, Nilsson und Rysanek als Primadonnen tituliert wurden und davon unterschieden u.a. die Gruberova und Baltsa als Damen, wenn ich mich richtig erinnere. Das wäre heute selbst in verstiegendsten PR-Fantasien unmöglich.
Wie auch immer man das sehen mag, das Album präsentiert zwei vokal blendend disponierte Sopranistinnen mit einem bunten Programm aus Hits und Raritäten. Bisweilen sind die zwei Stimmen schwer zu unterscheiden, etwa wenn sie sich im berühmten Duett Norma/Adalgisa aus Bellinis Oper Norma „Mira, o Norma … Si, fino all’ore estreme“ – Sierra die Norma und Yende brilliert als Aldagisa – zu einer vollkommen harmonischen Klangmischung zusammenfinden.
Highlights des Albums sind die humorvoll spritzigen Arien der Norina (Sierra) aus dem ersten Akt von Donizettis „Don Pasquale“ und der Marie (Yende) aus dem zweiten Akt von Donizettis „La fille du régiment“. Mein persönliches Lieblingsstück ist die Arie der Olympia ‚Les oiseaux dans la charmille‘, wo Pretty Yende ein einzigartiges Koloraturfeuerwerk zündet.
Kurios ist, dass bei den Ausschnitten aus Verdis „La traviata“, die Violetta wird technisch makellos und voller Feuer von Nadine Sierra interpretiert, die Stichworte des Alfredo von Pretty Yende eingeworfen werden. Einen kessen Gag hören wir in ‚I feel pretty‘ aus Leonard Bernsteins „West Side Story“ wo Sierra startet, bevor Yende voller Überzeugung und Humor textverändernd, aber passend ‚I am Pretty‘ anstimmt. Lustig ist natürlich auch der von Yende voller Ironie gezündete Song ‚Art Is Calling for Me‘ =I Want to Be a Prima Donna aus Victor Herberts Operette „The Enchantress“, wo das Orchester gekonnt auch als Chor fungiert:
Giacomo Sagripanti dirigiert „Les Frivolités Parisiennes“ stilsicher und als sensitiver Begleiter der beiden fantastischen Sopranistinnen. Kostprobe gefällig? Nadine Sierra & Pretty Yende im Blumenduett aus der Oper Lakméo von Leo Delibes, Link zum Video
https://www.youtube.com/watch?v=FtdLk-78MUA
- Gaetano Donizetti: Quel guardo il cavaliere … So anch’io la virtu magica aus „Don Pasquale“; Chacun les sait, chacun le dit aus La Fille du Regiment
- Gioacchino Rossini: Non bastan quelle lagrime aus „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“
- Vincenzo Bellini: Oh! Se una volta sola … Ah! Non credea mirarti … Ah! Non giunge uman pensiero aus „La Sonnambula“; Deh! Con te, con te il prendi … Mira, o Norma … Si, fino all’ore estreme aus „Norma“
- Giuseppe Verdi: E strano! E strano!…Ah fors’e lui…Follie! Follie! Delirio vano e questo & Sempre libera aus „La Traviata“
- Leo Delibes: Blumenduett aus „Lakmé“
- Charles Gounod: ‚Je veux vivre‘ aus „Romeo et Juliette“
- Jacques Offenbach: ‚Les oiseaux dans la charmille‘ aus „Les contes d’Hoffmann“
- Leonard Bernstein: ‚A Julia de Burgos‘ aus „Songfest“; ‚I feel pretty‘ aus „West Side Story“
- Victor Herbert: ‚Art is calling for me‘ (I want to be a Prima Donna) aus „The Enchantress“
- Marcel Louiguy: ‚La Vie en rose‘ (Text Edith Piaf)
Hinweis: Das rein digitale Produkt bietet weitere Zugaben als Bonustrack. Mit einem Medley aus Leinwandklassikern beschwören die Sängerinnen die Magie des Films: ‚As Time Goes By‘ aus „Casablanca“, ‚Moon River‘ aus „Breakfast at Tiffany’s“, ‚Edelweiss‘ aus „The Sound of Music“, das Titellied aus „The Way We Were“ und ‚Over the Rainbow‘ aus „The Wizard of Oz“.
Melomanenschmaus vom Edelbuffet!
Dr. Ingobert Waltenberger