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CD „MYTHOS“ KONSTANTIN KRIMMEL singt Lieder von FRANZ SCHUBERT und CARL LOEWE; alpha classics

06.07.2024 | cd

CD „MYTHOS“ KONSTANTIN KRIMMEL singt Lieder von FRANZ SCHUBERT und CARL LOEWE; alpha classics

Feinmechaniker des Liedes unter den jungen Gesangspoeten

bew

Preisträger bei Opus Klassik 2024 ist er, der wichtigsten Auszeichnung für außergewöhnliche musikalische Leistungen im Bereich der klassischen Musik in Deutschland. Konstantin Krimmel wurde zum Sänger des Jahres für seine Einspielung von Franz Schuberts „Die schöne Müllerin“ mit Daniel Heide am Klavier erkoren. Die Preise werden in zwei Veranstaltungen verliehen: Am 12. Oktober im Kühlhaus Berlin sowie anlässlich einer Gala am 13. Oktober im Konzerthaus Berlin. Désirée Nosbusch wird moderieren, das Konzerthausorchester Berlin wird von Kevin John Edusei geleitet werden. Bei den diesjährigen Salzburger Festspielen wir Krimmel als Olivier in Richard Strauss‘ Konversationsoper “Capriccio“ unter Christian Thielemann zu hören sein.

Nun legt Konstantin Krimmel sein viertes Liedalbum, diesmal zum Motto „Mythos“, vor. Seit der Spielzeit 2021/2022 ist er Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper, wo er im lyrischen Mozartfach für Bariton reüssiert. War er im Chor in Ulm noch als Tenor vermerkt, so steht bald die Kavaliersbaritonpartie des „Don Giovanni“ ins Haus.

Als Liedsänger weiß Krimmel Dichtkunst mit der Komponisten melodisch/harmonischer Setzung zu einem runden, eigenen Kosmos zu amalgamieren. Die kleinsten Noten kommen nicht nur zu ihrem Recht, sondern ihnen werden von Krimmel genau so viel Bedeutung beigemessen wie den großen Gesangslinien.

Seinen hell grundierten lyrischen Bariton lässt Krimmel in Schuberts „Der König von Thule“ in ruhigem Legato fließen, theatrale Momente setzt er sparsam und bewusst ein. In Carl Loewes „Archibald Douglas“ nach der berühmten altschottischen Ballade von Theodor Fontane begegnet uns Krimmel als ausdrucksstarker Erzähler. Die Auseinandersetzung zwischen dem verbannten Archibald im Pilgergewand und König Jakob auf der Jagd um Aufhebung des Banns endet nach Treue- und Heimatliebebezeugungen des Archibald mit einer der führendsten Versöhnungen in der Welt des Liedes. Krimmel setzt die Höhepunkte auch in Schuberts „Fahrt zum Hades“ aus einer ganz dem Wort und der Klanglogik der Sprache geschuldeten Interpretation. Nicht Wohllaut um jeden Preis, sondern Unmittelbarkeit und Wahrhaftigkeit im Ausdruck sind die Leitlinien, nach denen Krimmel seinen im Moment des Singens doch wie improvisiert und spontan wirkenden Vortrag gestaltet.

Die Auswahl der Lieder folgt einer düsteren, schicksalsschweren, Leid und Tod in den Mittelpunkt stellenden Programmatik. Insofern gleicht Krimmel – sollte er diese Linie beibehalten – seinem berühmten Vorgänger Robert Holl. Krimmel dazu: „Mich sprechen die dunklen Lieder oft nur eher an. Es sind meist die stärkeren Texte und Themen. Mehr Konflikte, mehr Drama. Typisch für die Romantik eben.“ Wie Recht er nur hat!

Loewes „Meerfahrt“ und Schuberts „Totengräbers Heimwehe“ bieten Krimmel reichlich Gelegenheit, die existenzielle Zwiesprache zwischen Einsamkeit und Todesnähe in unendlichen Nuancen und granitenen Klangfarben zu zelebrieren. Für die letzte Strophe mit dem in rabenschwarzer Trauer den Helden ins Grab schwinden sehenden „ich sinke – ich sinke! -Ihr Lieben – ich komme!“ hält Krimmel fahle Töne, die sich dennoch in so etwas wie befreiter Erlösung brechen, vor. Ganz anders verlangt Carl Loewes „Der Totentanz“ nach Goethe einen Sinn für makabre Ironie. Der Thürmer sieht sich die Gräber öffnen und die Gerippe einen wilden Tanz vollführen. Zuvor hatten die Geister sich der störenden Laken entledigt, von denen sich der Thürmer eines unter den Nagel reißt. In hastendem Tempo schildern Loewe und Krimmel die Jagd nach diesem Totentuch, über Kirchenmauern und Erker hinweg, bis Glockengeläute das Skelett zu Boden stürzen lässt.

Schuberts „Erlkönig“ und Loewes leises „Geisterleben“ setzen den Reigen der unheimlichen Begegnungen fort, wobei Krimmel den Ausdruck stets in organischen Bahnen hält, die Bänder der Gefühle sind klar vermessen. Ganz generell sind die Klarheit des Tons und der Diktion zu bewundern, die Dynamik meidet Extreme. Das verzagte „Am Bach im Frühling“ und Loewes tröstlich „Süßes Begräbnis“ stellen Musterbeispiele einer ganz in sich versunkenen, nach innen gerichteten Sangeskunst dar.

Um eine Nuance expressiver, in breiten Tempi sich langsam steigernd halten Krimmel und der sensitiv die Gefühlslagen am Klavier auslotende Ammiel Bushakevitz Schuberts „Der Wanderer“ auf Trab. Und finden sich im Geisterhauch dort, wo die ganze Tragik der Romantik sich in einem einzigen Credo kristallisiert: „Dort, wo du nicht bist, ist das Glück!“

Nach dem elegischen Ruhepunkt von Loewes „Wandrers Nachtlied“ beendet Krimmel sein Album „Mythos“ mit Franz Schuberts „An Schwager Kronos“ und der Ballade „Die Uhr“ von Loewe nach Johann Gabriel Seidels gewitzter Dichtung. Beides sind erzählstarke, musikalisch reichhaltige und lautmalerisch spannende Nummern, die in der freizügig imaginierten Interpretation von Krimmel und dem fabulös alle vokale Poesie auf dem Flügel veredelnden Bushakevitz Ewigkeitswert einer vollendeten Liedkunst für sich beanspruchen können.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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