CD MOZART LE NOZZE DI FIGARO: BBC-Mitschnitt aus der Royal Festival Hall vom 6.2.1961 mit Schwarzkopf, Söderström, Corena, Berganza und E. Blanc, ica Classics
Erste autorisierte Veröffentlichung auf CD aus den Archiven des Lyrita Recorded Edition Trust
Carlo Maria Giulinis Studio-Produktion des „Figaro“ für EMI ist legendär. Das gilt nicht nur wegen der sehr italienischen Sängerbesetzung mit Fiorenza Cossotto als Cherubino, Giuseppe Taddei als Figaro und Piero Cappuccilli als Antonio, sondern vor allem, weil der elegante Maestro wirklich ein musikalisches Fest menschlicher Leiden- und Machenschaften zu inszenieren versteht und Mozarts Partitur in ein vital leuchtendes Feuerwerk wandelt. Giulini gibt mit seinem goldenen Mozart-Händchen dem Kaiser, was des Kaisers ist: eine mediterran licht verspielte, durchlüftete Gesamtatmosphäre, Poesie in den lyrischen Arien, fluid quirlige Rezitative und Ensembleszenen, aber auch die unbeschreiblich „himmlischen“ Momente („Contessa perdono. Più docile io sono, e dico di sì.“). All diese einmaligen Interpretationsmerkmale treffen in noch intensiverem Maße auf den jetzt endlich in sehr guter Tonqualität erhältlichen Mitschnitt dieses Opern-Konzertes aus der Royal Festival Hall vom 6. Februar 1961, ebenso mit dem Philharmonia Orchestra, zu.
Hatten Sammler und historisch Interessierte Melomanen bisher auf die eher schlecht denn gut klingenden „Schwarzpressungen“ von Walhalla, Opera Depot oder anderen Anbietern zurückgreifen müssen, so dürfen sie sich nun auf diese sorgfältige Veröffentlichung schon wegen der besseren Tonqualität freuen. Aber auch, weil Giulini im Vergleich zur Studio-Produktion aus dem Jahr 1959 neben der auch 1961 mitwirkenden Gräfin der Elisabeth Schwarzkopf und dem Antonio von Piero Cappuccilli eine völlig andere, nicht minder gute und interessante Besetzung zur Verfügung hatte. Als da wären die in ihrem jugendlichen Liebesschmerz so berührende Teresa Berganza als Cherubino, die fraulich selbstsichere Susanna der Elisabeth Söderström (vom Stimmtyp auch sie schon auf dem Weg zur Gräfin), den sensiblen, diesmal durchaus charmant volkstümlichen Figaro des Fernando Corena sowie den aristokratisch herrischen Grafen des Edelbaritons Ernest Blanc. Aber auch die kleineren Rollen sind durchwegs erstklassig und mit charaktervoll timbrierten Stimmen besetzt: Heather Harper als melancholische Barbarina, Giorgio Tadeo als ehrfurchtgebietender Bartolo, Edda Vincenzi als Marcellina, Hugues Cuénod als kauziger Basilio und Don Curzio, und eben auch den aus heutiger Perspektive völlig überbesetzten Piero Cappuccilli in der kleinen Rolle des Gärtners Antonio. Und Elisabeth Schwarzkopf? Es ist njcht ihre beste auf Tonträgern konservierte Figaro-Gräfin, zu steif geraten die Höhen in den Arien, auch irritieren einige unnötige Vokalverfärbungen. Aber, aber: Alleine die mit überirdisch schönem Legato gesungenen Verzeihungsworte im 4. Akt sichern dieser für Mozart und Strauss prädestinierten Stimme für alle Ewigkeit einen diamantenen Platz in der Geschichte des Operngesangs.
Wir halten fest: Der Mozartdirigent Giulini beeindruckt auch heute noch ungemein tief. Und das Album ist natürlich ein Muss für Freunde gepflegten (Mozart-)Gesangs.
Dr. Ingobert Waltenberger