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CD MOZART: DIE ZAUBERFLÖTE – Peter Hofmann, Te Kanawa, Gruberova, Moll, Battle, van Dam, Huttenlocher, Orchestre Philharmonique de Strasbourg; Alain Lombard; DECCA

Digitale Erstveröffentlichung auf CD zum 80. Geburtstag von Alain Lombard

30.12.2020 | cd

CD MOZART: DIE ZAUBERFLÖTE – Peter Hofmann, Te Kanawa, Gruberova, Moll, Battle, van Dam, Huttenlocher, Orchestre Philharmonique de Strasbourg; Alain Lombard; DECCA

 

Digitale Erstveröffentlichung auf CD zum 80. Geburtstag von Alain Lombard

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Nein, es ist sicherlich nicht die idiomatisch reinste, stilistisch vollendetste  Aufnahme einer Mozart-Oper.  Aber welch ein Sängerfest erwartet den Hörer ungeachtet des unentschieden zwischen Erdenschwere (Ouvertüre) und flottem Zahn changierenden französischen Dirigenten.  Ende Mai/Juni 1978 versammelten sich im Palais de la Musique et des Congrès Strasbourg folgende erlauchte Schar an Opernstars im Frühling ihrer Möglichkeiten: 

 

Beginnen wir mit Peter Hofmann als Tamino. Hofmann, der 1972 in Lübeck mit dieser Rolle sein Operndebüt gab, verdankt dem Siegmund im Bayreuther Chereau-Ring ab 1976 seine internationale Karriere. Der zum Zeitpunkt der Aufnahme 34-jährige Hofmann war da schon ein veritabler Heldentenor. Abgesehen von der zu wenig auf Linie gesungenen Bildnis-Arie (der Stimmsitz muss sich auch noch einpendeln) ist dieser Tamino eine Offenbarung an Stimmfeuer, Leidenschaft und Herz auf dem richtigen Fleck. Hofmann singt unbefangen drauflos, als ginge es um Siegfrieds Schmiedelieder. Das funktioniert und fasziniert in den Ensembles über Maßen, die schön timbrierte Stimme auf dem Zenit ihrer Kraft tut noch das ihrige, um hier ein interessantes Rollenporträt zu finden, das sich von der Masse der Aufnahmen stark abhebt. Historisch knüpft Hofmann an interpretatorische Vorbilder wie Peter Anders oder Anton Dermota an, die durchaus auch heldisch aufdrehen konnten. 

 

Der Neuseeländerin Kiri te Kanawas erste Pamina (1989 folgte bei Philips eine zweite Gesamteinspielung unter Sir Neville Marriner mit Cheryl Studer als Königin der Nacht!) folgt stilistisch Elisabeth Schwarzkopf. Wären da nicht die von ihr unsäglich verpfuschten Dialoge, weitgehend konsonantenfrei und unter einer völlig falschen Sprachmelodie darbend, der Stimmenfreund könnte jubeln vor himmlischem Luxusklang, elysischen Kuppeltönen und nobler Phrasierung. 

 

Die Aufnahme markiert auch die erste Königin der Nacht von Edita Gruberova auf Tonträger. Gleich vorweg: Mehr in den stratosphärischen Koloraturen des märchenhaft machttrunkenen Nachtwesens zu Hause war die Gruberova nie als zu dieser Zeit. Spätere Einlassungen mit der Rolle (James Levine Salzburg, Nikolaus Harnoncourt Zürich, Sawallisch Bayerische Staatsoper, allesamt sind filmisch oder auf Band festgehalten und auf DVD/Blu-ray bzw. CD erhältlich) mögen dramatisch ausgefeilter und charakterlich vertiefter sein, leichter und glitzeriger als 1978 in Strasbourg erklang die erste Arie „O zittre nicht, mein lieber Sohn!“ wohl kaum je. 

 

Kurt Moll war in der Rolle des edlen Priesters mit Hang zur apodiktischen Autorität Ende der Siebziger Jahre schon hocherfahren. Seinen internationalen Durchbruch feierte Moll nämlich 1970 bei den Salzburger Festspielen in der Zauberflöte. Den Sarastro stattet Moll 1978 (Sawallisch, Levine und Solti engagierten den deutschen Bass und einen der Favoriten von Herbert von Karajan ebenfalls für diese Rolle) weiterhin mit balsamischem Bass und profunder Tiefe aus. Eine vorbildliche Gestaltung für Generationen.

 

Eine weitere große Überraschung der Aufnahme hält der Schweizer Bariton Philippe Huttenlocher als Papageno vor. Wienerisches Volkstheater kann von seinem Papageno nicht erwartet werden. Von den hochdeutsch singenden Vogelfängern (Físcher-Dieskau, Prey & Co) ist er wohl der beste. Unkasperlig und damit auf der seriöseren Seite des Interpretationsspektrums angesiedelt, ist da wohl ein gestandener Mann am Werk. Als Mozart-Stilist von Gnaden wartet er mit einem Kavaliersbariton der Sondergüte auf. Das mag eine/r für eine Überbesetzung halten, mich überzeugt Huttenlocher in der Rolle voll und ganz.  

 

Seine Papagena ist die junge Kathleen Battle. Als nicht sehr freundliche Kollegin an der Met gefürchtet wie kaum einen andere (Zinka Milanov konnte da vielleicht noch mithalten), verströmt Battle als Papagena mädchenhaften Liebreiz mit der Verheißung von Milch und Honig in der Stimme. Ihr lyrischer Sopran strahlt silbern, den Papageno steckt sie sich locker in die Brauttasche.

 

Der Sprecher ist mit José van Dam äußerst luxuriös besetzt. Auch er wiederholte diese Rolle im Studio 1989 in der Aufnahme von Sir Neville Marriner.   

 

Monostatos war dem später ins heldische Fach wechselnden Norbert Orth anvertraut. Mit hellem, gut fokussiertem Charaktertenor formt er eine profilierte Vokal-Studie des opportunistischen Fieslings.

 

Die drei Damen Helena Döse, Ann Murray und Naoko Ihara fallen vor allem durch eine sehr homogene Stimmführung und disziplinierten Ensemblegesang auf. 

 

Die drei Knaben sind Solisten der Zürcher Sängerknaben, die nicht daneben singen, was schon sehr viel ist. 

 

Die Aufnahmetechnik begünstigt die Stimmen. Die Toningenieure haben aus den offensichtlich lange im Depot schlafenden Bändern glaublich das Optimum herausgeholt. Bei Hofmann klingt die Stimme in den Höhe dennoch bisweilen leicht übersteuert. Das bemühte Orchester und der frz. Dirigent Alain Lombard mit der eigenwilligen Temporegie, zu dessen 80. Geburtstag (4.10.2020) die Aufnahme wieder auf den Markt kam, agieren theaternah, eine orchestrale Spitzenleistung sieht sicher anders aus. Aber deshalb wird sich die Aufnahme auch niemand anschaffen. Wie schon gesagt: Ein Sängerfest!

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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