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CD MONUMENT TO BEETHOVEN – NIKOLAY KHOZYAINOV; Rondeau. Musikalische Ehrerweisungen an Ludwig van Beethoven

21.10.2024 | cd

CD MONUMENT TO BEETHOVEN – NIKOLAY KHOZYAINOV; Rondeau

Musikalische Ehrerweisungen an Ludwig van Beethoven

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„Der erste Satz davon ist wohl mein Passioniertestes, was ich je gemacht – eine tiefe Klage um Dich – die anderen sind schwächer, brauchen sich aber nicht gerade zu schämen.“ Robert Schumann an Clara Wieck über seine Fantasie in C-Dur, Brief, vom März 1838

Der wildesten einer ist dieser russische Pianist, strotzend vor Kraft und ungestüm in der gläsern aufperlenden Klangrede, ein Anschlag von fest wie Stahl, knackig bestimmt bis zu sinnlich vibrierend. Und gerade, weil er so ungewöhnlich gegen den Strich der bloßen Tastenverzärtler spielt, so unsentimental und orchestral wie nur möglich, so geradlinig und entschlossen, gefällt er mir so gut. Ja, er holt einen mit all den aus Faszination für die Musik und das Genie Beethoven entstandenen Werken von Meistern wie Franz Liszt, Robert Schumann, Felix Mendelssohn-Bartholdy und dem Pianisten selbst („Pétales de la Paix“, als Auftragswerk der UNO uraufgeführt in der Menschenrechtshalle der Vereinten Nationen in Genf 2022) aus dem Sessel und jeder Komfortzone des Gewohnten.

Das Allegretto der Siebten Symphonie Beethovens in einem Arrangement von Franz Liszt sowie die Etüden in Form freier Variationen über ein Thema von Beethoven Wo031von Mendelssohn erklingen so leidenschaftlich wogend, dass Angaben wie un poco maestoso, presto, passionato, prestissimo oder „Durchaus phantastisch und leidenschaftlich vorzutragen“ in der Fantasie in C-Dur Op. 17 von Schumann tatsächlich ihren ureigensten Sinn entfalten. Ich stelle mir vor, so müsste Beethoven diese in seiner Nachfolge entstandenen Werke selbst gespielt oder sie sich zumindest so imaginiert haben. Natürlich kann Khozyainov auch Legato oder leisere, vereinzelt träumerische Töne anschlagen, weiß er impressionistisch zu verzaubern, natürlich ist er ein Virtuose von Rang. Aber der Haupteindruck des vorrangig Ungestümen bleibt. Das ist übrigens das größte Lob, das ich vergeben kann, nichts liegt mir ferner als pianistische Weichspülerei.

Nikolay Khozyainov, geboren im Fernen Osten Russlands, ging als Kind nach Moskau und debütierte mit sieben Jahren mit dem Moskauer Philharmonischen Orchester. Wie nicht wenige Musterabsolventen des Tchaikovsky Konservatoriums in Moskau ist Khozyainov ein Strukturalist, jemand, der der Architektur und Form der Werke, die er interpretiert, auf den Grund geht, jemand, der dynamische Extreme auszuloten versteht und Emotionen bis an den äußersten Rand treibt.

Aber da ist noch diese andere Seite in ihm. Nicht umsonst bezieht sich sein von ihm selbst geschriebenes Stück auf das Wort „Peace“, nicht von ungefähr wurde er 2022 als Dreißigjähriger vom spanischen Königshaus in den Ritterstand erhoben, nicht ohne Grund von den Friedenstruppen der Vereinten Nationen mit der Goldmedaille der UN für den Frieden ausgezeichnet.

Bei den im Jänner 2024 im Mendelssohn-Saal des Gewandhauses Leipzig aufgenommenen Stücken bzw. deren Schöpfern ging es um „Sponsoring“ für ein Denkmal Beethovens. Wie das? In den 1830-ern wollte man in Bonn aus Anlass von Beethovens 75. Geburtstag ein Denkmal errichten. Robert Schumann rief zu Spenden auf, ein Verleger publizierte das „Album Beethoven“, dessen Erlös zu diesem Zweck verwendet werden sollte. Franz Liszt griff gleich in seine eigene Tasche, um fehlendes Geld zu ergänzen. Im August 1845 fand die Enthüllung statt. Aus all den beigesteuerten Kompositionen und Bearbeitungen, die das Beethoven-Denkmal mitfinanziert haben, bringt Nikolay Khozyainov eine persönliche Auswahl.

Das musikalische Monument beginnt mit dem Allegretto aus der Siebten Symphonie, das Franz Liszt für Klavier mit dem symphonisch wirkenden Arrangement zu noch größerer Bekanntheit verhalf. Aber auch Robert Schumann war von dem Allegretto-Thema dermaßen angetan, dass er in vier Jahren von 1831 bis 1835 insgesamt 15 einigermaßen exzentrische Variationen (ohne je einen der begonnenen Zyklen zu vollenden) darüber ersann (tracks 2 bis 16).

Mendelssohns „Variations sérieuses“ Op. 54 aus dem Jahr 1841, wiederum „Allegretto“-besessen, bildeten ebenso einen Teil des erwähnten Beethoven-Albums des Wiener Verlegers Pietro Mechetti. In 17 Variationen werden alle Register der klassischen Variationenkunst gezogen und der blonde Wuschelkopf Khozyainov wiederum wirft all sein pianistisches Können in die Waagschale, um der Extravaganz der Wandlungen, beispielsweise dem aberwitzig beschleunigten Presto, gerecht zu werden. Und er tut das auf seine Weise so prononciert, dass die Rede vom großen Abenteuer Interpretation wieder Sinn gewinnt.

Das Album schließt mit Robert Schumanns Fantasie in C-Dur, Op. 17, Schumanns Beitrag zu Beethovens Denkmal. Liszts Bearbeitung von ‚Nimm sie denn hin, diese Lieder‘ aus dem Zyklus „An die ferne Geliebte“ Op.98 geht der Fantasie, diese motivisch beleuchtend, voran.

Ein großartiges, ein packendes, ein teuflisch gutes Album!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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