CD „MONSIEUR DE SAINTE-COLOMBE ET SES FILLES“ – RICERCAR CONSORT: Philippe Pierlot, Lucile Boulanger, Myriam Rignol, Rolf Lislevand; Mirare
„Es steht außer Zweifel, dass sich die geschicktesten [Musiker] dieser Zeit dadurch vervollkommnet haben, dass sie in seine [Sainte-Colombes] Fußstapfen getreten sind, insbesondere Monsieur Marais … Vor allem ihm haben wir diese schöne Handhaltung [,port de main‘] zu verdanken, die der Gambe erst die letzte Vollendung verliehen hat … Auch sind wir Monsieur de Sainte-Colombe zu Dank verpflichtet für die siebente Saite, welche er der Gambe hinzufügte … Er war es schließlich, der den Gebrauch der mit Silber umsponnenen Saiten in Frankreich eingeführt hat, und der unablässig nach allem forscht, was diesem Instrument eine größere Perfektion geben kann, soweit dies überhaupt noch möglich ist.“ Jean Rousseau
Selten steht ein Film in der klassischen Musik am Beginn eines Funkens, der sich zu einem künstlerischen Lauffeuer entwickelt. „Die siebente Saite“ oder „Tous les Matins du monde“ war ein solcher Streifen. 30 Jahre ist das nun her. Die Begeisterung über die Musik der französischen Gambisten Monsieur de Sainte-Colombe und Marin Marais ist geblieben, auch dank der magnetischen schauspielerischen Leistungen von Vater und Sohn Depardieu als junger und alter Marin Marais. Der Katalane Yordi Savall trug als Gambist zur Faszination des Films bei.
Auf dem Album „Monsieur de Sainte-Colombe et ses filles“ sind gleich drei Gambisten am Werk: Philippe Pierlot, Luciel Boulanger und Myriam Rignol. Rolf Lislevand spielt die Theorbe. Auf dem Programm stehen sog. „Concerts de ruelle“, Hausmusik im privaten Rahmen. Musiker wie Sainte-Colombe öffneten damals einem ausgesuchten Publikum ihre Türen. Gemeinsam mit seinen Töchtern veranstaltete er Konzerte mit drei Gamben, wobei eine der Töchter die Diskant-, die andere die Bassgambe spielte. Im Wesentlichen bestanden die Darbietungen in stilisierten Tänzen, die seit Mitte des 17. Jahrhunderts in Suiten mit einer geregelten Abfolge zusammengefasst wurden. Gigue, Menuet, Sarabande, Gavotte, Courante, Bourrasque, Passacaille, Chacone oder Allemande sind die Satzbezeichnungen, die sogar das Herz der Götter höher schlagen ließen.
Ob Orgel, Cembalo, oder Gambe, beliebte Stücke wurden in alle Richtungen für den verschiedensten Gebrauch bearbeitet. Hievon angeregt, haben die vier Musiker des Albums Werke von Jacques Champion de Chambonnières, Louis Couperin und Robert de Visée für die Gamben bearbeitet, nach der Art der Konzerte von Sainte-Colombe und seinen Töchtern, deren Repertoire heute verschollen ist.
Das Album wartet auch mit sog. „Tombeaux“ (z.B.: „Les Regrets“) auf, Instrumentalkompositionen zum Gedenken an einen Verstorbenen, meist dem Lehrmeister des Komponisten selbst. Nicht sanft melancholische Klänge, sondern heftig-expressive Passagen mit harten Dissonanzen bestimmen den Charakter dieser von Gamben gespielten Tombeaux, „die den Hörer durch eine permanente tonale Instabilität irritieren. .. Schließlich kann der Gesang der Gambe, deren Klangfarbe sowie die Fähigkeit, Töne zu halten und zu modulieren, sie der menschlichen Stimme annähern, selbst zu einer Klage werden.“ weiß Françoise Deperin in ihrem historisch aufschlussreichen Aufsatz „Ein Orpheus unserer Zeit“.
Das Spiel der vier renommierten Spezialisten des Ricercar Consorts ist farbenreich, voller Hingabe an harmonische Wendungen und Volten. Der Klang der historischen Instrumente ist edel, atmosphärisch abwechslungsreich und voll. Wer sich gerne Bilder der Renaissance mit ihren unendlichen Details und kaum zu dechiffrierenden Geheimnissen ansieht, wird auch an dem kontemplativen Charakter dieser hochartifiziellen Musik seine helle Freude haben.
Dr. Ingobert Waltenberger