CD mit Fagottistin Sophie Dervaux bei Berlin Classics erschienen/
Suggestive Mondlicht-Klänge
Das Fagott sei für sie sehr wichtig, sagt die in Lyon aufgewachsene Sophie Dervaux. Es sei ihre Stimme. Wenn sie Musik mache, könne sie etwas vermitteln. Sie könne nicht schön singen, aber mit diesem Instrument gehe es. Das Singen versuche sie mit ihrem Spiel. Das Fagott sei sehr nah an der menschlichen Stimme. Sie ist seit 2015 als Solofagottistin Mitglied der Wiener Philharmoniker. Das Repertiore auf dieser CD umfasst bekannte und unbekannte Stücke. Darunter Claude Debussys „Clair de Lune und Beau Soir“. Und es ist wunderbar, mit welcher sphärenhaften Leichtigkeit und hohen Sensibilität Sophie Dervaux gerade diese Stücke interpretiert. Melodische Linien leuchten hell auf und verschwinden immer wieder. Das thematische Material ist hier deutlich hörbar einem ständigen Verwandlungsprozess unterworfen. Da entdeckt sie unbekannte Geheimnisse, schlägt Brücken zu thematischen Querverbindungen. Gerade „Clair de Lune“ liege für das Fagott sehr hoch, so Sophie Dervaux. „Man kann tolle Mondlicht-Klänge schaffen“, bemerkt sie. Ein Aspekt, der bei der Aufnahme besonders positiv auffällt. Interessant ist außerdem die bewegende Begegnung mit der von Camille Saint-Saens in hohem Alter komponierten Sonate für Fagott und Klavier in G-Dur op. 168. Die reizvolle Motivarbeit steht auch hier im klassizistischen Mittelpunkt. Das Fagott erhält eine grandiose filigrane Aura und betörende klangliche Geschmeidigkeit. Klangfarbenreich interpretiert sie zusammen mit Selim Mazari (Klavier) auch „Apres un reve“ von Gabriel Faure sowie „Piece en forme d’habanera“ von Maurice Ravel. Hier bewegt vor allem die Klarheit und Reife der Strukturen den Zuhörer. Die Betrachtung des Schönen steht im Mittelpunkt. Feinste Klangschattierungen bietet ferner die Fagott-Sonate op. 71 von Charles Koechlin. Jazz-Einflüsse zeigen Reynaldo Hahns „A Chloris“ und Roger Boutrys „Interferences“, wo Sophie Dervaux die thematischen Verbindungslinien brillant offenlegt. Harmonische Geheimnisse werden dabei sensibel verdeutlicht. Insbesondere der spezifisch motorische Rhythmus mitsamt seinen Jazz-Einflüssen fesselt bei Roger Boutrys subtiler Komposition „Interferences“. Es gibt hier sogar Frequenzen wie im Radio, die plötzlich nicht mehr zueinander passen. So kommt es zu harmonischen Explosionen und raffinierten akustischen Höhenflügen. Der Zuhörer fühlt sich aber nicht alleingelassen, sondern kann die chromatische Achterbahnfahrt geradezu atemlos verfolgen. Die Intervallspannungen wirken elektrisierend. Eine weitere Überraschung bietet auf dieser CD „Sarabande et cortege“ von Henri Dutilleux. Diese Komposition wird ausgesprochen expressiv musiziert. Der Zauber der lyrischen Form kommt aber nicht zu kurz. Fazit: Man spürt bei dieser Aufnahme, wie wichtig für die Musikerin Sophie Dervaux der Klang an sich ist. Dessen Ton-Bilder und akustische Veränderungen zeichnet sie höchst einfühlsam nach, entdeckt auch immer wieder neue Aspekte.
Alexander Walther