Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD MATTHIAS GOERNE singt Lieder von ROBERT SCHUMANN, harmonia mundi

18.05.2019 | cd

CD MATTHIAS GOERNE singt Lieder von ROBERT SCHUMANN, harmonia mundi

 

Dem gemeinsam mit Christian Gerhaher wohl bemerkenswerteste aller aktuellen deutschen Lied-Baritone liegen die frühromantischen Liedschöpfungen von Robert Schumann besonders gut in der Gurgel. Für das Label harmonia mundi ist es das zweite Schumann-Album nach der Programm-CD „Einsamkeit“ mit Markus Hinterhäuser am Klavier. Nun hat sich Goerne gemeinsam mit Leif Ove Andsnes den “Liederkreis” Op. 24 und die “Kernerlieder”  nach zwölf Gedichten von Justinus Kerner, Op. 35, vorgenommen. Den Liederkreis Op. 24 hat Goerne schon einmal aufgenommen, und zwar für das Label DECCA mit Vladimir Ashkenazy als Begleiter. Diese Aufnahme ist aktuell vergriffen.

 

Gab es bei Erscheinen der CD mit Ashkenazy noch Meinungen, die zwar die Stimmschönheit Goernes, die dramatische Kraft und das melancholische Versinken überaus lobten, aber  Defizite in der Gestaltung monierten, so dürften spätestens jetzt mit dieser Neu-Aufnahme auch diese Kritiker überzeugt werden können. Was Goerne und sein grandioser Liedbegeleiter Leif Ove Andsnes beim Liederkreis Op. 24 nach Gedichten von Heinrich Heine  an Ausdrucksnuancen einbringen, wie sie das sehnsüchtig Lachende wie Düstere, Spöttische (“Warte warte, wilder Schiffmann”), aber auch Doppelbödige, Bittere, manchmal Bodenlose drastisch zum Ausdruck bringen, ist spektakulär. Geornes Bassbariton ist seit der Befassung mit Opernpartien des Heldenfachs (Wotan, Wanderer, Jochanaan) noch dunkler geworden, die Farbpalette hat an Anthrazittönen in allen Schattierungen zugenommen. In den Liedern mit Natursymbolen (Bäume, Blumen) steht Hoffnung neben Verlustängsten. Auch die Lieder nach Gedichten von Justines Kerner greifen auf solche das Gemüt imitierende Naturstimmungen zurück (“Lust der Sturmnacht”). 

 

Den biographischen Hintergrund für Schumanns 1840 ausgelöste lyrische Schaffensexplosion war nämlich ein gewaltiger privater Konflikt. Der 30-jährige Schumann wollte Clara Weck heiraten, deren Vater sich vehement gegen die Verbindung stemmte. Robert strebte sogar einen Rechtsstreit an, der Vater erzwang die (räumliche) Trennung. Schumann schrieb während dieser Zeit für die “ferne Geliebte” binnen eines Jahres 150 Lieder, darunter die berühmte  “Dichterliebe” sowie die beiden hier eingespielten Zyklen. Schumann selbst drückte seinen Zustand folgendermaßen aus: “Wie ich sie (Anm.: Lieder Op. 24) komponierte, war ich ganz in Dir. Du romantisches Mädchen verfolgst mich doch mit Deinen Augen überall hin, und ich denke mir oft, ohne solche Braut kann man auch keine solche Musik machen.”

 

Leif Ove Andsnes, selbst ein exzellenter Pianist, der jede Menge an Werken für Klavier solo sowie Kammermusik von Robert Schumann für die Platte einspielte, reüssiert nicht nur als sensibler Begleiter, sondern formuliert besonders eben in jenen für Schumanns Liedschaffen so typischen Vor- Zwischen- und Nachspielen poetisch wortlose Nach(t)gedanken. Beate Perrey nennt das Momente, in “denen der Dichter spricht und all das zum Ausdruck bringt, was nicht in Worte zu fassen ist.” Was für ein Glück für den Musikfreund, dass so renommierte Liedsänger wie einst Fischer-Dieskau oder jetzt Goerne auch die besten Pianisten für gemeinsame Projekte begeistern gewinnen konnten und können. Fazit: Meisterlich in jeder Hinsicht!

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken