CD MARIMBAKONZERTE mit FUMITO NUNOYA – Oehms Classics
Modern vor Barock
Ein Marimbist ist ein Perkussionist, gehört also zur Spezies der Schlagzeuger, auf jeden Fall ist er nach wie vor ein Exot in der Welt der klassischen Musik; auch wenn immer mehr an Musik – eigentlich für andere Instrumente geschrieben – geschickt für die Marimba arrangiert wird. Die Marimba, eine Art großes Xylophon, wird mit Wolle gegarnten Rattan- oder Holzschlegeln gespielt. Das Instrument besitzt einen bis zu 5½ Oktaven großen Tonumfang.
Der eigentümlich bimmelnde, ploppende Sound der Marimba reicht von dumpf hölzern bis geheimnisvoll leuchtend. Je nach der Frequenz des Anschlags formen sich mehr oder weniger stark durchbrochene Melodiebögen. Für mich gleicht die Musik einem kunstvoll arrangierten Mosaik aus vielen vielen Noten, sie ist klingender Pointillismus in Reinkultur. Der Nachteil ist sicherlich, dass ähnlich wie bei einem Cembalo die Töne nicht nachschwingen und die bloße Fingerfertigkeit bei länger angehaltenen Notenwerten auf die Sprünge helfen muss.
Aus Japan stammt der an der Musikhochschule Detmold unterrichtende Fumito Nunoya, der mit seiner neuen CD eine weitere Bresche in alt eingestammtes barockes Repertoire schlagen will, jedoch mehr mit zeitgenössischen Werken überzeugt. Als Partner für die drei ausgewählten Konzerte hat er sich dasKurpfälzische Kammerorchester unter der musikalischen Leitung von Johannes Schlaefli gewählt. Geht Nunoya mit dem eigentlich für Blockflöte komponierten Stück von Antonio Vivaldi (Konzert in C-Dur, RV 443) noch auf Nummer sicher, so wagt er sich mit den modernen Stücken des Emmanuel Séjourné (Konzert für Marimba und Streicher) und vor allem mit dem großartigen Marimbakonzert von Takatomi Nobunaga unter dem Titel ‚The crossed sonar of dolphins‘ aus der Reserve.
Zum Programm des Albums: Die Marimba kann der originalen Flöte bei Vivaldi nicht das Wasser reichen. Das ist gewiss hübsch anzuhören, bringt aber gegenüber dem ursprünglichen Instrument keinen Mehrwert. Anders verhält es sich schon bei dem für die Linzer Marimba Competition 2006 geschriebenen Konzert des Franzosen Emmanuel Séjourné, das dem österreichischen Virtuosen Bogdan Bacanu gewidmet ist. 2015 hat Séjourné im Auftrag Bacanus einen neuen ersten Satz hinzugefügt. In dieser Fassung ist das knapp halbstündige Werk auf der CD zu hören. Epigonal zwischen Rachmaninoff und Flamenco angesiedelt, bietet das Konzert jede Menge an Wohllaut und gefälligen Harmonien. Dem Eindruck von Kitsch entgeht die Komposition durch die Ernsthaftigkeit des Vortrags und das aufgeraute Spiel des überragenden Solisten. Dynamisch hat Nunoya so richtig was drauf. Mit stupender artistischer Gewandtheit baut er Skalen, lässt Läufe perlen, beschleunigt und retardiert, weiß insgesamt die goldrichtigen Akzente zu setzen. Präzision und Detailversessenheit sind weitere Markenzeichen seiner Kunst.
Das Album lohnt sich am Ende überwiegend wegen des fantastischen neuen Konzerts ‚the crossed sonar of dolphins‘ des Japaners Takatomi Nobunaga, ein Auftragswerk Fumito Nunoyas. Der Ozean ist der große und “singende“ Delphine die kleinen Helden der lautmalerisch so farbig-kühnen Musik. Da klickts und pfeifts in den Glissandi der Streicher. Wellen, Strömungen, das Aufblitzen von Fischschwärmen sind in einen die Natur nicht bloß imitierenden, sondern überhöhenden Klang getaucht. Die Marimba stellt „sanfte Bewegungen von Delphinen dar, die Luftbläschen, die an der Haut entlang aufsteigen oder das Spritzen des Wassers, wenn die Schwanzflosse auf die Wasseroberfläche klatscht.“ Den Sätzen entsprechen die Bezeichnungen „Unterwasserkommunikation“, „Schwärme und Meeresströmungen“ und „Die Suche nach dem Horizont“. Als Solist neben Fumito Nunoya fungiert hier der Pianist Benyamin Nuss.
Die Frage, ob jemand Marimba hören möchte oder nicht, mag erst einmal hart zu knacken sein. Ist die Schale einmal ab, sind positive Überraschungen wahrscheinlich. Wenn Sie Fomito Nunoya wählen, sind sie sicher.
Dr. Ingobert Waltenberger