CD MARIE RADAUER-PLANK und HENRIKE BRÜGGEN spielen Musik für Violine und Klavier von COVATTI, DUSSAUT, HONEGGER und D’INDY; Audax
Das Engagement des Labels Audax für das in der französischen Musiktradition ausgebildete Komponistenpaar Hélène Covatti und Robert Dussaut geht nun nach dem gelungenen Lieder-Album mit Adriana Gonzalez (Sopran), Inaki Encina Oyo und Thibaud Epp (beide Klavier) in die zweite Runde.
Man stelle sich vor, das Werk der 1910 in Griechenland geborenen Hélène Covatti wurde zu ihren Lebzeiten nie veröffentlicht. Es ist das gemeinsame Verdienst der selbst als Pianistin erfolgreichen Tochter Thérèse Dussaut, die den musikalischen Nachlass ihrer Eltern sortierte, bearbeitete und editieren ließ und des Pianisten Inaki Encina Oyo, der sich für die vorliegenden Aufnahmen einsetzte, dass nun auf künstlerisch hohem Niveau wiederum ein neuer kleiner Teil vom Besten von dem nachgehört werden kann, was so lange in den Bannen des Reißwolfs der durch harte Brüche gezeichneten Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts lag.
Es warten noch etliche Werke von Covatti (eine Romanze für Violine und Klavier und eine Fantasie über ein griechisches Volksthema für Orchester bzw. für Klavier zu vier Händen) und von Dussaut einer Verlebendigung in Aufführungen und auf Tonträgern, wie Kammermusik, Sinfonien und Opern von Robert Dussaut. Inaki Encina Oyo ist es auch, von dem der aufschlussreiche Aufsatz „Musik von seltener Vitalität“ aus dem Booklet stammt.
Hélènes Mutter war Malerin und ihr Vater arbeitete in der rumänischen Botschaft in Athen. Nach dem Tod des Vaters ging sie 1925 nach Paris, wo sie im Conservatoire Harmonielehre bei Paul Fauchet, Kontrapunkt und Fuge bei Noël Gallon und Komposition bei Jean-Roger-Ducasse studierte. Das Schaffen von Hélène Covatti ist im Kern der kurzen Periode vom Abschluss der Studien bis zur Geburt der Tochter 1939 zuzurechnen. Danach wirkte sie als Pädagogin am Pariser Konservatorium.
Covattis dreisätzige „Violinsonate“ wurde am 2.3.1946 in der Salle Gaveau in Paris uraufgeführt. Dafür gab es den Prix Halphen, mit einer besonderen Laudatio durch den Komponisten Arthur Honegger. Da Robert Dussaut Schüler von Vincent d’Indy, Charles Widor und außerdem 1924 Preisträger des Prix de Rome war, haben die zwei wichtigsten Musiker für Covatti/Dussaut die Zusammenstellung des Programms des vorliegenden Albums, das ausschließlich Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewidmet ist, beeinflusst.
Die Atmosphäre und Gestaltungsmerkmale der verschiedenen Stücke, das noch Honeggers Violinsonate Nr. 1, die Suite „Brève dans le style ancien“, eine Élegie und „Printemps“ von Dussaut und ein kurzes „Andante für Klavier und Violine“ von D’Indy umfasst, reichen von expressiv entschlossen, mit griechischen Einflüssen garniert, lyrisch verträumt, elegisch bis zu verhalten-melancholisch in mehr oder weniger experimentellen Harmonien und kontrapunktischen Verflechtungen. Die Stilrichtungen reichen von Spätromantik, Expressionismus, Impressionismus bis zur Neoklassik.
Das Duo Brüggen-Plank, das für Audax bereits ein von mir hoch geschätztes, inspirierendes Album mit Musik von Ludwig van Beethoven, Jan Václav Voříšek und Erzherzog Rudolph von Österreich veröffentlicht hat, geht mit überlegener Präzision, Leidenschaft, artikulatorisch prononciert an die Sache. Larmoyanz bleibt außen vor. Die große Bandbreite an ständig im Flusse begriffenen Stimmungen und an konzise abschattierten Emotionen erstehen aus der minutiösen Umsetzung der kompositorisch formalen Vorgaben. Da sind zwei bedeutende Musikerinnenpersönlichkeiten am Werk, die mit Bogenstrich und Anschlagsnuancen umzugehen wissen, den Wert und die (klassische) Modernität der Kompositionen durch Temperament, scharfe Kontrastzeichnung und klares Farbenspiel, das Düstere in regnerische Grautöne wandelnd, bei aller Kulinarik der Musik bis an die Schmerzgrenze herausarbeiten. Nicht Gefälligkeit, sondern Wahrhaftigkeit steht im Fokus dieses faszinierenden, wegen der beispielhaften Interpretation von Covattis großartiger Sonate wichtigen Albums, das mit Dussauts melodienseliger „Suite“ noch dazu mit einer Weltpremiere aufwarten kann.
Dr. Ingobert Waltenberger