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CD MARIA & NATHALIA MILSTEIN spielen Werke für Klavier und Violine von Franz Schubert; Mirare

26.09.2024 | cd

CD MARIA & NATHALIA MILSTEIN spielen Werke für Klavier und Violine von Franz Schubert; Mirare

„Ein Hauch der Liebe tilget Räum’ und Zeiten, Ich bin bei dir, Du bist bei mir, Ich halte dich in dieses Arms Umschlusse, Sei mir gegrüßt! Sei mir geküsst!“ Aus Friedrichs Rückerts Gedicht „Sei mir gegrüßt!“ (Oestliche Rosen 1822)

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Die Spanne eines ganzen Lebens, eines kurzen Lebens. Der 19-jährige Franz Schubert, der zu der Zeit durchaus schon mit großen Meisterwerken die ganz große Bühne der Musik betreten hatte (z.B.: „Gretchen am Spinnrade“ 1814) schrieb 1816 drei Sonatinen für Violine und Klavier, in D-Dur D. 384, in a-Moll D 385 und in g-Moll D 408, seine ersten Stücke für diese reizvolle Instrumentenkombination. Im selben Jahr entstanden etwa auch der „Erlkönig“, die Sinfonien Nr. 4 c-Moll – die „Tragische“ – und Nr. 5 B-Dur. Zehn Jahre später, also 1826, komponierte Schubert das Rondo brillant in b-Moll, D 895 und im Dezember 1827 die Fantasie für Violine und Klavier in C-Dur, D 934. Beide Reifewerke hatte Schubert für den jungen böhmischen „Paganini“ Josef Slavik (er wurde nur 27 Jahre alt) und den in Prag geborenen Pianisten Karl Maria von Bocklet geschrieben. Die Freundschaft zu diesen Musikern ist in jeder Faser dieser Kompositionen, die auf ganz wienerische Art und Weise den verborgensten Kammern der Seele nachspüren, präsent. Nur elf Monate nach Vollendung der Fantasie starb der erst 31-jährige Schubert, dessen Leben sich zwischen enormer Schaffenskraft, treuen Freundschaften und ungeheurer Tragik/Krankheiten bewegte, wahrscheinlich an Typhus.

Mit den genannten Stücken und der Sonate für Violine und Klavier in A-Dur, D 545 wäre der Rahmen für das vorliegende neue Doppelalbum des Geschwisterduos Maria (Geige) und Nathalia Milstein (Klavier) abgesteckt. Nach wunderbaren Ravel-Aufnahmen (2019) folgt nun dieses ebenso in aller struktureller Klarheit wie emotionaler Dichte erarbeitete Schubert-Album. Und man hört sofort: Sobald der Altersunterschied von 10 Jahren erlaubte, begannen die beiden aus einer Moskauer Musikerfamilie stammenden Frauen miteinander zu musizieren.

Bewundernswert und bewegend ist es, wie die beiden Musikerinnen bei aller formaler Dezidiertheit Leben und so etwas wie Authentizität in diese Musik bringen. Das beginnt bei der Wahl eines Blüthner Flügels aus dem Jahr 1857 aus der niederländischen Sammlung d’Andriessen. Nathalie Milstein hat das aufgrund seines unglaublich guten Zustands noch nie restaurierte Instrument mit dem noch originalen Resonanzboden gewählt, um die Intimität und die fragile Sensitivität der musikalischen Sprache Schuberts optimal zur Geltung bringen zu können. Von dessen „singender Sonorität“, den aufgefächerten Klangvaleurs, der Wärme und Klarheit zeigte sich die Virtuosin verständlicherweise sehr angetan.

Tatsächlich ist das kontrastvolle Mit- und Zueinander von Klavier und der Violine von Michelangelo Bergonzi aus Cremona (um 1750) ein Ereignis an sich. Die durch diese Instrumentenwahl optimierte Balance zwischen Violine und Klavier erlaubt es, die subtilsten Nuancen Gestalt gewinnen zu lassen, oder am anderen Ende der Skala beim rauschhaft rasanten Schluss des Rondo brillant gemeinsam in die Zielgerade zu sprinten, genau dort, wo oftmals das Klavier die klangliche Oberhand gewinnt.

Das Mozartische wiederum in den klassizistischen Sonatinen, deren liedhafte Kantabilität gerät in den berufenen Händen von Maria & Nathalia Milstein außerordentlich duftig und galant. Schubert als Unterhaltungsmusiker. Den Höhepunkt des Albums bildet die Fantasie in C-Dur, wo sich Elegisches, wahrlich fantastisches melodienschlingerndes Spintisieren, Zitate aus dem Lied „Sei mir gegrüßt“ D 741 und Variationen mit stupender Tastenartistik zu einer höheren Einheit amalgamieren. Maria und Nathalia Milstein modellieren diesen durchlässigen, luftigen Klangpavillon auf ihre noble Art. Geheimnisvoll fabuliert, mit Feingefühl und Kontur, Zärteln und Sternenleuchten, Lust und Schmerz. Exzentrizität bleibt außen vor.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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