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CD MANDELRING QUARTETT mit DEBUSSY und RIVIER; Audite

12.12.2021 | cd

CD MANDELRING QUARTETT mit DEBUSSY und RIVIER; Audite

 

Weltersteinspielung des Ersten Quartetts von Jean Rivier

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Das Mandelring Quartett ist jenes Quartett, wo fast alle ganz einfach aus dem Grund auf den Namen Schmidt hören, weil sie Geschwister sind: Sebastian Schmidt Violine, Nanette Schmidt Violine, Andreas Willwohl Viola und Bernhard Schmidt Violoncello. Ihre Diskographie bei Audite umfasst Werke von Shostakovich, Janáček , Mendelssohn, Schumann, Schubert, Brahms, Ravel und La Tombelle. Ihre jüngste CD ist ebenfalls französischem Repertoire, und zwar Claude Debussy und Jean Rivier, gewidmet. 

 

Debussy kennen wir alle und vom Streichquartett Nr. 1 in g-Moll, Op. 10, ist das Angebot im Katalog groß. Nicht so bei Jean Rivier. Dieser Komponist des 20. Jahrhunderts hat keine leuchtenden biographische Spuren hinterlassen. Was gesichert ist, dass Rivier, nachdem er sich im Ersten Weltkrieg freiwillig zur Front gemeldet hatte, einen Senfgasangriff wundersam überlebte, aber drei Jahre lang an den Folgen laborierte. So konnte er erst 1921 mit seinem Studium der Harmonielehre, des Kontrapunkts, der Musikgeschichte, aber auch von Klavier und Cello am Pariser Konservatorium starten. Ab 1948 wird Rivier an diesem berühmten Pariser Institut selbst Komposition unterrichten. Musikalisch saugte der offene und neugierige Rivier die musikalischen Experimente und Strömungen des 20. Jahrhunderts begierig auf. Nur um sie dann alle links liegen zu lassen. Das am besten als neoklassizistisch, aber nie bloß epigonal zu bezeichnende Komponieren brachte reiche Früchte: Unter seinen 200 Werken finden sich u.a. eine Oper, Lieder, ein Ballett, acht Symphonien, ein Requiem, verschiedene Instrumental- und Kammermusikwerke. 

 

Unter letzteren stellt uns das Mandelring Quartett Riviers erste beiden Streichquartette vor. Es handelt sich um absolute Kataloglücken, die das Quartett jetzt nach viel Arbeit bei der Erstellung der Noten (1. Quartett) und der Erarbeitung der technisch höchst anspruchsvollen Stücke mit mustergültigen Einspielungen geschlossen hat. 

 

Das erste Streichquartett in G-Dur hat Rivier 1924 noch während seines Studiums geschrieben. Während er in diesem Frühwerk mit hoher Energie und expressiver Pranke vorführt, was er souverän an Kontrapunkt beherrscht, und wie er in der Nachfolge der aus der Ferne winkenden Paten Debussy und Ravel vielgestaltig und mit originellen kompositorischen Mitteln Stimmungen erzeugen kann, ist das zweite Streichquartett aus dem Jahr 1940 aus einem doch anderen Holze geschnitzt. 

 

Rivier gelingt hier Meisterliches. Nach einem romantisierend wiesensanften Start betreten wir mit überraschenden Volten und emotionsgeladenen Dissonanzen, ihren dynamischen Gegensätzen, launischen Rhythmen und spirituellen Rückzugsinseln sagenumwobenes Neuland. Wir wandern durch aufgeraute Klanglandschaften, die in ihrer kargen Farbgebung, ihrer schicksalsschaffenden Natur und ihrem vulkanisch brodelnden Eigensinn, ihrer feinmuskulösen Ursprünglichkeit an nordische Einlande erinnern. Feinhaarige Pflanzen, nasse Steine, schwefelheiße Geysire und auf Lavaschwarz gefallener Schnee. Aufregend!

 

Das 1983 gegründete Mandelring Quartett, eine der besten und renommiertesten deutschen Kammermusikformationen, spielt die drei Stücke mit stets schlankem Ton ausdrucksvoll, transparent, liebevoll ornamentiert, bei aller individuellen Kante der vier Solisten von einem bewundernswerten Miteinander im temporeichen Ballwechsel der Stimmen getragen. Das Quartett hat mit diesem Album einen weiteren Coup aus kluger Programmatik und Entdeckerfreude gelandet. Bitte mehr von diesen mutigen Ausflügen abseits ausgetretener Pfade! 

 

 

Tipp: Das Mandelring Quartett wird Jean Riviers Streichquartett Nr. 1 und Claude Debussys Streichquartett in g-Moll am 16. Dezember 2021, 20h, in einem Konzert im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie aufführen. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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