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CD: MAHLER SYMPHONY Nr.5. Czech Philharmonic, Semyon Bychkov. Pentatone

14.10.2022 | cd

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Mahler für Einsteiger

Es ist Jahrzehnte her, dass die Tschechische Philharmonie ihre hohe Kompetenz bei den Sinfonien Gustav Mahlers auf CD dokumentiert hat. Vaclav Neumann hatte über viele Jahre hinweg eine Gesamteinspielung vervollständigt. Bis heute fristen diese interessanten Aufnahmen jedoch eher ein Schatten Dasein.

Nun also eine Neu-Einspielung in bester digitaler Aufnahmetechnik. Lange hat er gewartet, Semyon Bychkov, derzeitiger Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie, um erstmals alle Sinfonien von Gustav Mahler zu dirigieren und in einer CD-Aufnahme zu verewigen. Nach dem überaus geglückten Einstand mit Mahlers vierter Sinfonie folgt nun als nächste Einspielung die fünfte Sinfonie, erschienen beim Label Pentatone.

Das Label steht seit jeher für aufnahmetechnische Exzellenz und dies ist auch sogleich bei dieser Neueinspielung ein hörbares Qualitätsmerkmal. Zu erleben ist ein weit aufgespannter, dynamisch eingefangener Orchesterklang, der fast jedes Detail an das Ohr des Zuhörers gelangen lässt.  Einzig das Schlagzeug tönt zu oft zu entfernt, klingt nicht präsent und insgesamt zu schwach. Sehr schade!

Bereits im einleitenden Solo der Trompete und den folgenden Tutti Ausbrüchen des Orchesters ist die außergewöhnliche Qualität des Orchesterspiels zu bewundern. Semyon Bychkov lässt sein Orchester großzügig aufspielen. Er betont intensiv die  Details, gestaltet mit Anteilnahme den musikalischen Verlauf.  Sein Augenmerk liegt stets auf der klaren Entfaltung der Hauptthemen, worunter die Nebenstimmen vernachlässigt erscheinen.  Auffallend sind die scharfen Akzente in der Streichergruppe und der nach wie vor unverwechselbare helle Klang des Orchesters mit seinen besonders charakteristischen Holzbläsern. Die Blechbläser intonieren mit schlanker Tongebung und das viel geforderte Schlagzeug agiert mit Differenzierung, leider aber zu deutlich dynamisch reduziert. Darunter leiden die großen Ausbrüche, die zu defensiv geraten. Vor allem Becken, Tamtam tönen erschreckend schwach und sind in den leisen Stellen nicht zu hören. Grelle Effekte vermeidet Bychkov, ebenso wie spielerische Risiken. Alles wirkt betont ausgewogen und harmonisch gestaltet. Ein Mahler, der nicht schmerzt, sondern in geschönter Färbung erklingt.

Der zweite Satz  wird von Bychkov vergleichsweise gemäßigt interpretiert. Mahler fordert „größte Vehemenz“, Bychkov bleibt sie komplett schuldig und entscheidet sich lieber auch hier für Transparenz. Dies führt zu wunderbaren Kolorierungen der Holzbläser im langsamen Mittelteil. Die großen Ausbrüche hingegen werden viel zu streng kontrolliert und dürfen hier nicht emotionale, dynamische Grenzen überschreiten. All zu schön, gefällig klingt es auch hier, aber reicht das? Gerne möchte man zuweilen den Ausführenden zurufen: “Traut Euch doch, loslassen und fühlen!“ Und dann verliert sich die ohnehin zurück gehaltene Energie in der Kulmination am Satzende derart deutlich, so dass es plötzlich allzu mühsam klingt, was die Tschechische Philharmonie zu spielen hat.

Schön in der Klangkultur erklingt das Scherzo in feiner Transparenz. Ironie und Schmäh vermeidet Bychkov, lediglich leichte Rubati geben diesem Satz eine dezente Brechung. Mit edlem Ton sorgt der Solo-Hornist der Tschechischen Philharmonie für besondere Wonnemomente.

Das Adagietto ist weitläufig und kantabel gestaltet, bei recht zügigem Tempo, ohne dabei im Ausdruck zu verflachen oder gar gehetzt zu wirken. Ungewöhnlich ist hier der akustische Positionswechsel der Harfe, die nun aus der Orchestermitte ertönt. In diesem Satz geht Bychkovs Interpretationsansatz maximaler Klangschönheit am ehesten auf. Endlich sind sie da, die sensibel gestalteten Übergänge, die in den voraus gegangenen Sätzen schmerzlich abwesend waren. Allein, ist nicht auch diese Schönheit voller Ambivalenz? Zu hören ist sie hier nicht, dafür erlesen musizierte Minuten der Gefälligkeit.

Natürlich nutzen Bychkov und sein formidables Orchester die Gunst des hoch virtuosen letzten Satzes, um spielerische Meisterschaft zu zeigen.  Der Beginn in den herrlichen Holzbläsern mit feiner Agogik zeigt allerdings, was in dieser Sinfonie möglich gewesen wäre, wenn Bychkov mehr dieser spielerischen Freiheit seinem Orchester gewährt hätte.

Natürlich weiß Bychkov Steigerungen überzeugend aufzubauen, so auch in diesem Finale. Auf der anderen Seite fallen  Abschnitte auf, die erstaunlich buchstabiert wirken und nicht unbedingt darauf schließen lassen, dass die Tschechische Philharmonie mit der Musik Mahlers erfahren ist. Wunderbar ist die große Schluss Apotheose herausgearbeitet, um dann im furiosen Presto diese herrliche Sinfonie abzuschließen.

Teil 2 des wachsenden Mahler Zyklus der Tschechischen Philharmonie bescherte eine sehr schön gespielte und akademisch zu brav interpretierte Aufnahme, die wenig Freude bei eingefleischten Mahler Fans auslösen dürfte, da Bychkov lediglich Mahler pur, ohne interpretatorischen Subtext bietet. Keine Exzesse, keine Extreme und vor allem keine Überraschungen.

Bychkov hat sich verändert. Seine wunderbar spannenden und emotional zur Sache gehenden Mahler Interpretationen aus seiner Kölner Zeit, die gibt es hier leider nicht einmal im Ansatz zu bestaunen. Ein Mahler daher also für Kulinariker, der nicht aneckt, sicherlich daher auch als Einstieg geeignet erscheint.

Neues erzählt diese Aufnahme nicht.

Dirk Schauß

 

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