CD: Mahler siebte Sinfonie mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks bei BR Klassik
Welt der Kontraste
Die siebte Sinfonie in e-Moll von Gustav Mahler ist laut Paul Bekker ein Werk, in dem er Kontraste als für sich gesondere Welten behandelt. Das wird bei der vorliegenden Einspielung mit Sir Simon Rattle und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks deutlich. Die bombastische Fassade des Finales interpretiert Rattle durchaus transparent, mit riesigen dynamischen Bögen. Die breit ausgeführte langsame Episode des ersten Satzes lässt er mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks keineswegs zerdehnt musizieren, das tastend dumpfe Drängen wirkt unheimlich. Die Themen der Bläser sind zukunftssicher. Beim Allegro con fuoco tritt die Heldenpose triumphierend als Hauptthema auf. Das zweite Thema glüht dann leidenschaftlich in den Violinen auf. Die Durchführung gewinnt durch das gut betonte Gegen- und Ineinander des Materials in Sonatenform fesselnde Ausdruckskraft. Motive der Einleitung blitzen hell auf. Dem Höhepunkt mit seiner prunkenden Kraft bleibt Sir Simon Rattle hier nichts schuldig. Im zweiten Satz „Nachtmusik“ gibt es jähes Aufleuchten, Erlöschen – eine spukhafte Vision zieht plötzlich vorüber. Der Marschritt eines phantomhaften Zuges wird vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hervorragend eingefangen. Die gefühlvollen, aber nicht sentimentalen Melodien verströmen Wehmut. Am Ende folgt Aufleuchten und Verblassen im Zwielicht. Noch dichtere Nebel hüllen das schattenhafte Scherzo mit den Klängen eines unschlüssigen Beginns ein. Die Melodien sind halb Glanz, halb Klage, tauchen schemenhaft empor, recken Fetzen in grelles Licht. Wie ein Naturidyll wirkt das Trio. Abermals „Nachtmusik“ heisst der vierte Satz, der spürbar auf Serenaden der Wiener Klassik zurückgreift. Mandoline und Gitarre zaubern eine mediterrane Stimmung herbei. Überaus fantasievoll und poetisch wird hier musiziert. Wärme besitzen Horn, Harfe und Cello. In unbekümmerter Siegespose kommt bei Rattle das Rondo-Finale daher. Marschrhythmus umkreist wechselnde Stimmungen. Kontrapunktische Raffinessen werden voll ausgeleuchtet. Ideell und thematisch wird hier eine bewusste Verbindung zum ersten Satz gefunden. Der Schluss gipfelt in Glockenklang und gleissendem Orchesterprunk, der aber nie aufgesetzt wirkt. Rafael Kubelik hat mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks andere Akzente wie Sir Simon Rattle gesetzt. Bei ihm wirkte manche Passage zerklüfteter, Rattle legt eher auf Schönklang Wert. Trotzdem gehören beide Interpretationen zu den besten Aufnahmen dieses Werkes.
Alexander Walther